Tarifpartnerschaft wird ausgehebelt
Mindeststandards für die Lohnentwicklung vorgeschrieben
Die EU definiert künftig die Rahmenbedingungen und schreibt Mindeststandards für die Mindestlohnentwicklung vor. So will die EU, dass der Mindestlohn bei 60% des Median-Verdienstes aller Vollzeitbeschäftigten liegt. In Deutschland beträgt die Quote aktuell 48%. Nach den für dieses Jahr geplanten Mindestlohn-Erhöhungen, wird diese Lücke geschlossen.
Außerdem will die EU die Tarifbindung erhöhen und peilt 80% an. Für Deutschland ist das angesichts einer derzeitigen Tarifbindung von ca. 40% der Beschäftigten nicht einmal ansatzweise realistisch. Zumal die Tarifbindung seit 30 Jahren kontinuierlich abnimmt. Wird das EU-Ziel nicht erreicht, muss die Regierung einen Aktionsplan aufstellen. Mit welchen Maßnahmen die Politik die Tarifbindung erhöhen könnte, weiß nicht einmal das Bundesarbeitsministerium (BMAS). Gegenüber FUCHSBRIEFE heißt es: "Die weitere Prüfung bleibt abzuwarten."
Mindestlohn ersetzt Tarife
Da es in dem EU-Plan grundsätzlich an Sanktionsmechanismen fehlt, wird die Politik künftig noch stärker auf die Anhebung des Mindestlohnes fokussieren. Der Staat wird damit zur de-facto Gewerkschaft, die die "Tarife" in Form gesetzlich festgelegter Mindestlöhne vorschreibt - die dann natürlich auch auf die oberen Lohngruppen ausstrahlen. Es gilt dann das Motto: Mindestlohn statt Tarife. Die Gewerkschaften werden dadurch obsolet (FB vom 21.02.2022).
Diese staatlich basierte Lohnfestlegung außerhalb der Tarifpartnerschaft ist insbesondere in Zeiten steigender Inflationsraten gepaart mit Personalknappheit problematisch. Aber auch der Blick auf den politischen Kalender ist interessant. Denn die Mindestlohnkommission legt im Juni 2023 ihren nächsten Beschluss vor und dann turnusgemäß zwei Jahre später, also kurz vor der nächsten regulären Bundestagswahl.
Erfolgsaussichten für Erhöhung der Tarifbindung gering
Ohnehin sind die Erfolgsaussichten einer solchen staatlichen Lohnpolitik gering. Das zeigen Auswertungen des Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Historie zeigt klar, dass der Staat seine Ziele nicht erreicht, wenn er in die Tarifautonomie eingreift. Das könnte auch diesmal der Fall sein. Denn in dem Maße, wie die Politik die Mindestlöhne vorschreibt verliert die Tarifbindung an Relevanz.