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Mutiger Schwenk könnte Deutschland entlasten

Sozialausgaben komplett über Steuer finanzieren

FUCHSBRIEFE Chefredakteur Ralf Vielhaber. Copyright: Verlag Fuchsbriefe
Der Generationenvertrag im deutsche Sozialversicherungssystem stirbt einen schleichenden Tod. In diesem Jahrzehnt wird sich das Siechtum dramatisch beschleunigen. Die Finanzierungssystematik gehört in die öffentliche Diskussion und auf die politische Agenda, meint FUCHSBRIEFE-Chefredakteur Ralf Vielhaber.

Die Mischfinanzierung unseres Sozialversicherungssystems gehört dringend auf den Prüfstand – und in die Öffentliche Debatte. Das System in seiner heutigen Mischform aus Steuern und Abgaben ist nicht nur ineffizient. Es schafft sich bereits schrittweise von allein ab. Dafür sorgen Demografie und Politik gleichermaßen.

Ein gewichtiges Argument ist die Verwaltung. Dabei geht es mir nicht nur um die Kosten, die bei mehreren Systemen zwangsläufig höher sind. Vor allem ist es die Bindung qualifizierten Personals, das dem produktiven Arbeitsmarkt entzogen wird. Angesichts des bestehenden und weiter wachsenden Fachkräftemangels gewinnt das Argument Jahr für Jahr an Gewicht.

Steuerfinanzierte Sozialversicherungssystem funktionieren

Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn hat gerade verdeutlicht, wohin die Reise so oder so geht. Der Deckel auf den Sozialabgaben bei den Löhnen von 40% soll bestehen bleiben, um keine Arbeitsplätze zu gefährden. Gleichzeitig will sich die Politik nicht den wachsenden Anforderungen des Publikums an die Sozialversicherungssysteme entziehen.

Der Schritt hin zu einer reinen Steuerfinanzierung steht an und wäre fair. Denn dass die Jungen die Versorgung der Alten bezahlen wie im heutigen sogenannten "Generationenvertrag", der einseitig zu Lasten der jüngeren Generationen geht, ist nicht nur unfair – er funktioniert nicht mehr. Es ist ein Vertrag, dem mit jedem Jahr mehr die Grundlage entzogen wird.

Die gesetzliche Rente löst sich von ihren Grundlagen

Dass steuerfinanzierte Sozialversicherungssysteme gut funktionieren können, zeigt das Beispiel Dänemark. Das dänische Sozialstaatsmodell gilt auch unter "konservativen" Ökonomen wie dem ehemaligen ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn als vorbildlich.

Die Rentenversicherung erhält jetzt schon fast ein Viertel ihrer Ausgaben aus dem Bundeshaushalt. Bei den gesetzlichen Krankenkassen waren es 2019  (neueste Verfügbare Zahlen) knapp 7%. Auch die anderen Versicherungen erhielten Steuerzuschüsse. Insgesamt wurden 2020 in Deutschland 1,1 Billionen Euro für Sozialausgaben verwendet. Das ist mehr als ein Drittel des BIP (2019 waren es knapp über 1 Bio. Euro und 31% des BIP).

Großbaustelle gesetzliche Rente

Olaf Scholz will das rechnerische Rentenniveau nicht unter 48% absinken lassen. Der gesetzliche Rentenbeginn mit 67 Jahren soll nicht angehoben werden. Der Nachholfaktor wurde schon 2008 ausgesetzt – und sorgt seitdem für eine politische gewollte Übervorteilung der Rentner gegenüber den Arbeitnehmern. (Nicht zuletzt hat die SPD mit ihren Rentenversprechen die Wahlen gewonnen.) Allein in diesem Jahr soll es ein gealtiges Plus von 5% (West) und knapp 6% (Ost) geben. Davon kann ein Lohnarbeiter in der Regel nur träumen. Und: Das Rentensystem als zentraler Baustein unseres Sozialversicherungssystems soll ohnehin eine neue Komponente erhalten – einen kapitalgedeckten Fonds. Damit löst sie sich einen weiteren Schritt von der bisherigen Abgabensystematik.

Die Pflege verschlingt ebenfalls immer größere Summen. Und bald brauchen die zahllosen alt gewordenen Singles ohne pflegende Verwandte Unterstützung. Damit bleibt nur die Finanzierung aus dem allgemeinen Haushalt und somit aus Steuermitteln.

Übergang besser steuern als die verkorkste, maßlos überteuerte Energiewende

Warum nicht gezielt und gesteuert vorgehen – und damit klüger als beim Energiewende-Chaos. Für den "Prüfstand" gibt es mehrere gewichtige Gründe:

  1. Der Steueranteil an den Sozialversicherungsleistungen wird auch in den nächsten Jahrzehnten stetig weiter wachsen. Die Steuern ersetzen verstärkt die Beiträge.
  2. Der Umbau findet bereits statt. Der geplante Aufbau eines Kapitalstocks ist ein neues Element. Aber die avisierten zunächst 10 Mrd. Euro sind lachhaft.
  3. Die Steuer- und Abgabenbürokratie in den Unternehmen könnte vereinfacht werden.
  4. Die Kosten der Verwaltung ließen sich reduzieren. Gerade bei der Digitalisierung von Bürokratien zählen Größeneffekte.
  5. Unproduktive Verwaltung konkurriert um fachlich gut ausgebildetes und geschultes Personal auf einem enger werden Arbeitsmarkt. Etwa 800.000 meist hochkompetente Verwaltungsmitarbeiter arbeiten derzeit in den verschiedenen Sozialversicherungsbürokratien. Ein gewichtiger Teil davon könnte bei schrittweiser gezielter Überführung der Systeme signifikant  Personal freisetzen.
  6. Hinzu kommt die Gerechtigkeitsdebatte. Teile der Gesellschaft drängen immer lauter darauf, im Gesundheitswesen eine "Bürgerversicherung" einzuführen, die private und gesetzliche Versicherungsysysteme zusammenführt. Der Weg dahin, ohnhehin aus dem Steuersäckel pensionsgesicherte Beamte in das mehr und mehr steuerfinanzierte gesetzliche Rentensystem einzubeziehen und dies ebenfalls zu vereinheitlichen, ist dann nicht mehr so weit.
  7. Mit einer Reduktion an Komplexität ist mehr Transparenz verbunden. 

Wenigstens bei der Reform des Sozialversicherungssysteme sollten wir gezielt und überlegt vorgehen – und damit klüger als beim Energiewende-Chaos. Die Überlegung, die Mischfinanzierung abzuschaffen, gehört dazu. So gewaltig die Aufgabe auch scheint – die Politik sollte sie jetzt dringend in Angriff nehmen, findet Ihr Ralf Vielhaber.

Ich danke meinem Kollegen Marcus Johann für die Recherche und Zuarbeit zu diesem Kommentar.

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