Ombudsleute im Private Banking wenig gefragt
FUCHS|RICHTER Prüfinstanz: Welche regulatorischen Entscheidungen der letzten zwei, drei Jahre haben nach Ihrem Kenntnisstand größere Auswirkungen auf Bankkunden und wie spiegelt sich das in Rechtsstreitigkeiten wider?
RA Klaus Rotter: Hervorzuheben sind sicherlich die strengeren regulatorischen Regelungen durch MiFiD II. Diese Regelungen haben unserer Einschätzung nach zumindest zur Verringerung der krassen Fälle von fehlerhafter Anlageberatung geführt. Zwar sind die Fallzahlen im Bereich fehlerhafter Anlageberatung und Vermögensverwaltung generell rückläufig. Allerdings ist es noch zu früh, diesen Umstand allein auf die strengeren Regelungen zurückzuführen. Dies kann auch an dem seit vielen Jahren freundlichen Börsenumfeld liegen. Positiv hervorzuheben ist, dass die BaFin die letzten Jahre deutlich kundenfreundlicher agiert als vor etwa 2015. Vor allem der Wirecard-Betrug hat nochmals zu einer verbraucherfreundlicheren Finanzmarktaufsicht geführt.
Niedrigzinsen verursachen großvolumige Schäden
Wie hat sich das Aufkommen an Rechtsstreitigkeiten zu Anlage- und Kapitalmarktthemen aus Ihrer Sicht entwickelt?
Durch das Niedrigzinsniveau versuchen Anleger sich in weniger sicheren Anlagen, wie etwa Krypto Assets. Dies hat zur Folge, dass von den großen Schadensfällen in den letzten Jahren wie die Infinus-Gruppe (rund 900 Mio. EUR), P&R (rund 2,5 Mrd. EUR) und Wirecard (rund 1 Mrd. EUR) viele Privatanleger betroffen waren, die dadurch einen Großteil ihrer gesamten Ersparnisse verloren haben. Würde es Zinsen auf das Konto bzw. Sparbuch geben, dann hätten weitaus weniger Anleger ihre Gelder anderweitig investiert und die Schadensfälle wären nicht so großvolumig gewesen.
Anlageberater haben Kündigung von Lebensversicherungen empfohlen
Welche Themen verursachen die meisten Streitigkeiten?
Es gibt nach wie vor zu verschiedenen Themen Streitigkeiten. Themen in den letzten Jahren waren Negativzins bei institutionellen und privaten Anlegern. Bei privaten Anlegern sind es die zahlreichen Fälle der Prämiensparverträge. Auch Streitigkeiten bei geschlossenen Fonds, insbesondere die Rückforderung von Ausschüttungen, sind sehr zahlreich. Zugenommen haben die Fälle der Veruntreuungen von Bankguthaben, die regelmäßig über N26 abgewickelt werden. Beratungshaftungsfälle haben abgenommen, kommen aber immer wieder vor. Aktuell führen wir einige Fälle gegen Anlageberater, die den Kunden die Kündigung von Lebensversicherungsverträgen empfohlen haben.
Streitlust hängt von Finanzierung ab
Hat sich die Streitkultur verändert? Sind Kunden heute eher bereit es auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen?
Bei einem Rechtsstreit spielt das Kostenrisiko, welches der Kläger zunächst zu tragen hat, eine erhebliche Rolle. Seit der Finanzmarktkrise sind Rechtsschutzversicherungen dazu übergegangen in ihren allgemeinen Versicherungsbedingungen (ARB) den Rechtsschutz bzgl. der Investition in Wertpapieren und gleichstehende Beteiligungen auszuschließen. Natürlich gibt es auch Alternativen der Prozessfinanzierung wie durch Prozessfinanzierungsgesellschaften. Daher hängt viel davon, ob sich ein Bankkunde den Rechtsstreit leisten kann bzw. eine entsprechende Finanzierungslösung findet.
Ombudsleute nur selten beansprucht
Welche Rolle spielen die Ombudsleute bei der Streitbeilegung?
Ombudsleute der privaten Banken sprechen nur dann eine Entscheidung aus, wenn der vorgetragene Sachverhalt bereits eindeutig höchstrichterlich durch den Bundesgerichtshof geklärt ist und alle Tatsachen unstreitig sind. Zudem ist eine für den Bankkunden positive Entscheidung der Ombudsleute für die Bank nur bindend bis zu einem Wert in Höhe von 10.000 Euro. Unsere Fälle liegen regelmäßig über diesem Wert, so dass wir nicht in vielen Fälle die Ombudsleute der privaten Banken angerufen haben.
Nur geeignete Produkte dürfen empfohlen werden
Sehen Sie eine positive Entwicklung bei den Banken, was Kundenzentrierung betrifft?
Durch die Umsetzung von MiFiD II dürfen Banken ihren Kunden grundsätzlich nur Produkte anbieten, die für diese geeignet sind (siehe § 64 Abs. 4 WpHG). Allerdings werden diese Produkte nicht für den einzelnen Kunden entwickelt, sondern für das entwickelte Produkt wird der passende Kunde gesucht. Daher sehen wir derzeit noch keine positive Entwicklung bei Banken bezüglich der Kundenzentrierung im Rahmen der Anlageberatung. Zumal nach wie vor zweifelhafte Finanzprodukte, wie Zertifikate, in großem Stil an Bankkunden empfohlen werden.
Vielen Dank für dieses interessante Gespräch, Herr Rotter.
Elke Pohl sprach für die FUCHS|RICHTER PRÜFINSTANZ mit dem Fachanwalt Klaus Rotter