Nicht in falsche Hände geben
Gudrun und Josef Sokram, beide 63 Jahre alt, haben ihr Unternehmen verkauft. Nun haben sie nach Abzug aller Steuern und Kosten gut 3,5 Millionen Euro auf dem Girokonto liegen. Doch schon früh hatte sich der Deal in Bankenkreisen herumgesprochen. Und prompt kommen die ersten Vorschläge. Die Volksbank vor Ort präsentiert ihre neue Vermögensverwaltung und hat ein „interessantes Immobilienprojekt" anzubieten. Weitere Privatbanken melden sich, mit denen die Sokrams noch nie etwas zu tun hatten. Von gut acht Banken erhalten sie Anlagevorschläge, Vermögenskonzepte und Produktangebote. Doch richtig blicken sie nicht durch.
Der bessere Weg für die Sokrams wäre eine sys-tematische Herangehensweise. Punktuelle Beratung bringt in einem solchen Fall wenig. Denn selbst wenn ein einzelnes der angebotenen Produkte und Vermögensverwaltungen für sich genommen herausragend wäre, bedeutet das nicht, dass es auch für die Sokrams gut ist. Der erste Schritt sollte sein, alle vorhandenen Vermögenswerte zu betrachten. Eine gute Übersicht ist schon die halbe Miete. Profis nutzen dazu die „Vermögensbilanz", die auf einen Blick zeigt, wie Sokrams investiert sind. Das „Reinvermögen" beträgt gut 8,5 Mio. Euro.
Verbindlichkeiten bestehen in Höhe von 550.000 Euro. Die Schulden sollten so schnell wie möglich getilgt werden.
Sokrams wünschen sich ein langes gemeinsames Leben. Die Sterbetafel der deutschen Aktuare prognostiziert Herrn Sokram noch 27 Jahre Lebenserwartung. Frau Sokram darf auf 31 Jahre hoffen. Diese Zahlen betrachten den statistischen Durchschnitt. Sokrams könnten natürlich auch (viel) länger leben. Also fragen sie:
„Wie viel Vermögen benötigen wir, um einen Ruhestand gut durchzufinanzieren?" Antwort: Es kommt besonders auf die Inflationsrate und die Rendite nach Kosten und Steuern, die die Kapitalanlage erwirtschaftet, an. Wenn die Ruheständler von 3% Inflation ausgehen und zugleich 3,5% Rendite nach Kosten und Steuern ansetzen, dann benötigen sie knapp 4,2 Mio. Euro, um 100 Jahre alt werden zu können. Dafür können sie dann jährlich 120.000 Euro nach heutiger Kaufkraft ausgeben. 100 Jahre Lebensdauer? Dies ist die richtige Planungsgröße, denn was nützt es den beiden, wenn der Durchschnitt zwar schon gestorben ist, sie aber noch fit und fidel leben dürfen. Nicht selten wird hier mit fal-schen Prämissen gerechnet.
Für Sokrams wird deutlich: Ein großer Teil des Vermögens ist für den Ruhestand zu reservieren. Dafür bedarf es einer eigenen Vermögensstrategie. Und das Risiko muss im Blick behalten werden. Das Geld, das die nächsten Monate benötigt wird, sollte anders angelegt werden als die Vermögensbeträge, die den Ruhestand z. B. in 15 Jahren finanzieren sollen. Häufig wird das gesamte Ruhestandskapital (es handelt sich um 37 Jahre „Restlebensdauer") über einen Kamm geschoren – das kostet Rendite. Die Gefahr ist groß, dass zu konservativ angelegt und damit nicht einmal der Vermögenserhalt nach Kosten, Steuern und Inflation gesichert wird. Der aktuelle Markt-test, den der Verlag FUCHSBRIEFE und Dr. Richter | IQF in diesen Tagen veröffentlichen, beweist: Banken und Vermögensverwalter tun sich schwer, treffsicher die richti-gen Verlustgrenzen auszuloten und dabei zugleich eine an-gemessene Rendite zu erwirtschaften.
Nachdenken über Vermögensnachfolge
Es lohnt sich für die Eheleute schon jetzt, über die Vermögensnachfolge nachzudenken. Die Söhne und deren vier Kinder könnten ein Stück vom Vermögen ab-bekommen. So nutzen Sokrams die steuerlichen Freibeträge, die der Fiskus alle zehn Jahre zur Verfügung stellt. Und noch eines müssen sich die Eheleute fragen: Was passiert, wenn Krankheit oder Unfall einen der beiden Ehepartner außer Gefecht setzen? Kann Frau Sokram über die Konten ihres Mannes verfügen, wenn er im Koma liegt? Dürfen Entscheidungen über medizinische Eingriffe er-folgen? Die Eheleute sollten prüfen, ob alle Vollmachten, auch Kontovollmachten, vorliegen und noch aktuell sind. Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an solche Vollmachten in den letzten Jahren immer wieder konkretisiert. Daher ist eine regelmäßige Prüfung sinnvoll. Auch für das Testament gilt: Ist es noch aktuell? Gibt es einen „Notfallordner" für die Kinder, damit im Fall der Fälle alle Unterlagen schnell zu sichten sind?
Fazit: Nach dem Unternehmensverkauf kommt noch eine weiteres „Projekt": die eigene Vermögensplanung mit vielen Einzelfragen. Erst danach kann das Leben wirklich genossen werden.