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Philanthropen im Entscheidungsnotstand, Teil 1

Neue Freiheiten für Philanthropen?

Figuren aus Holz und Geldsack. © [M] Andrii Yalanskyi / stock.adobe.com
Stiftungen "leiden" unter den Entwicklungen des Kapitalmarktes. Viele gemeinnützige selbständige Stiftungen könnten ihren Zweck kaum noch erfüllen, schreiben Rupert Graf Strachwitz, der seit über 30 Jahren Stifter und Stiftungen in strategischen und konzeptionellen Fragen berät und Michael Seberich, Managing Partner einer Beratungsfirma, die Stiftungen in der Entwicklung von innovativen Programmen für sozialen Wandel begleitet. Sie zeigen deshalb Alternativen zur klassischen Stiftung auf.

Die Welt des Spendens und Stiftens ist in den letzten Jahren komplex und vielfältig geworden. Eine Reaktion auf das sich verändernde Umfeld ist, dass Philanthropie heute oft auf Mitarbeitende zurückgreift, die bei der Förderung professionelle Standards anstreben. Sie gehen auf dem Weg zu gesellschaftlicher Veränderung strategisch vor und versuchen, durch Evaluationen und Wirkungsmessung den Erfolg des philanthropischen Handelns zu ermitteln. Größere Stiftungen werden heute als Unternehmungen geführt – oft fast zu sehr. Es entstehen neue Trends und neue Partnerschaften zwischen Philanthropen, Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Hinzu kommt ein wachsendes Verständnis für komplexe, häufig auch als systemisch bezeichnete, gesellschaftliche Veränderungsvorhaben sowie dafür, dass nur Risiko und Kreativität auf Dauer der Philanthropie erlauben, einen aktiven Beitrag zu gesellschaftlichen Fragen zu leisten.

Vor diesem Hintergrund muss Philanthropie neu gedacht werden. Die Reform des Rechtsrahmens für die rechtsfähigen Stiftungen, die am 1. Juli 2023 in Kraft tritt, trägt dem nicht Rechnung. Zudem wird deutlich, daß das Ziel der Vereinheitlichung durch die neuen Landesgesetze unterlaufen wird. Vielfach scheinen die althergebrachten Merksätze, die Behörden, Anwälte und Vermögensverwalter jahrzehntelang den Stiftungen eingebläut haben, unverändert weiter zu gelten: „Die Stiftung lebet ewiglich!“ – „Stiftungen sind Vermögensmassen, aus deren Ertrag der Zweck verwirklicht wird.“ – „Die Regelform der Stiftung ist die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts.“ – „Stiftungen müssen ihr Vermögen mündelsicher anlegen.“

Die Zahl der Optionen für Spender und Stifter wächst

2017 war dies der Einstieg in eine erste Version dieses Artikels . In der Diskussion über Entwicklungen im Stiftungssektor stellten wir fest, dass sich nicht viel verändert hat. Der Artikel hat mit Ergänzungen weiterhin einen hohen Wert als Orientierungshilfe in der Welt der Philanthropie. Allerdings wächst die Zahl der Optionen für Spender und Stifter. Wir haben deshalb auf der Grundlage des ursprünglichen Beitrags diese aktualisierte Version lebhaft diskutiert und zusammengestellt.

Angeregt von Rahmenbedingungen, deren Erfinder ernsthaft glaubten, Stiftungen könnten einen maßgeblichen Beitrag zur Finanzierung von Staatsaufgaben leisten, hörten zahlreiche Philanthropen den Ruf und überschwemmten das Land in den letzten 20 Jahren mit einer Flut von neuen Klein- und Kleinststiftungen. Die meisten wurden als Kapitalförderstiftungen konzipiert und bekamen auf Drängen der Finanzämter einen so eng wie möglich beschriebenen Stiftungszweck. Die künftigen Verwalter rieten darüber hinaus oft zu einem festen Destinatär, um die Stiftungsarbeit möglichst einfach – „schlank“ – „ohne Verwaltungskosten“ – gestalten zu können. Heute wissen wir, dass dies alles ein Trugschluss war.

Vier zentrale Entwicklungen beeinflussen die Philanthropie

Vier gesellschaftliche Entwicklungen können als wichtige Gründe hierfür verstanden werden:

  1. Weniger Renditen: Der fortschreitende Verfall der Renditen liquider Vermögensanlagen dauert nun schon fast 20 Jahre an. Hier hilft aktuell nicht, dass sich durch die Inflation der letzten 12 Monate der Wind an den Anlagemärkten vielleicht drehen wird.
  2. Neue Geber: Eine neue Generation von Erben und vermögenden Menschen gibt anders und investiert anders in gesellschaftliche Themen. Organisationen wie Resource Transformation sind Ausdruck eines aktivistischen Engagements einer neuen Generation von Erben . Menschen, die in der Start-Up-, Finanz- oder Beratungsbranche ihr Geld verdient haben, wollen jetzt Veränderungen bei gesellschaftlichen Herausforderungen, zum Beispiel dem Klimawandel, erreichen und sehen häufig die rechtsfähige Stiftung nicht mehr als das vorrangige Vehikel des Gebens. Wirkung, unternehmerische Haltung und Strategie haben Vorrang vor der Rechtsform.
  3. Anders geben: In der Stiftungswelt, der Philanthropie ist eine Debatte über die Art und Weise des Gebens selbst entstanden. Seine Transparenz und kulturelle Vielfalt werden ebenso diskutiert wie das notwendige Vertrauen und die Kooperationsbereitschaft der Philanthropie. Stiftungen haben zum Beispiel damit begonnen, ihre Destinatäre an Förderentscheidungen zu beteiligen.
  4. Digital geben: Die Digitalisierung verändert das Geben und Stiften. Es entstehen Vehikel des Gebens, die überwiegend digital verwaltet werden und beispielsweise neue Formen der Kooperation zwischen Gebenden ermöglichen.

Die Ertragskraft von Stiftungsvermögen hat drastisch abgenommen

Im Mittelpunkt steht, dass realer Wert und Ertragskraft der meisten Stiftungsvermögen seit 2007 drastisch abgenommen haben. Während Stiftungsbehörden den Stiftungen noch einreden wollten – und es in Einzelfällen immer noch tun – , es müsse der Realwert des Stiftungsvermögens erhalten werden (was immer das heißen mag ), konnten viele aus Gründen, die sie nicht zu verantworten hatten, kaum den Nominalwert stabilisieren.

Dies hat, unter anderem, zu einer starken Allokation von Stiftungsvermögen in Immobilien geführt. Diese Form der Investition wiederum führt zu neuen Verantwortlichkeiten und Aufgaben von Stiftungen – einmal abgesehen davon, dass Immobilieninvestitionen angesichts von Wohnungsknappheit und einer Diskussion über eine auflagenbewehrte Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit auch gesellschaftliche Fragen aufwerfen .

Stiftungen können ihren Zweck nicht mehr erfüllen

Die Folge ist, dass immer mehr Stiftungen ihren Zweck nicht mehr erfüllen können. Entweder sind die Kosten der Verwaltung und der wie auch immer definierten Erhaltung des Stiftungsvermögens so hoch, dass die Mittel erschöpft sind. Oder der zu eng beschriebene Zweck und das geringe Stiftungsvermögen oder die geringen Erträgen stehen einer Verfolgung des Stiftungszwecks entgegen. Gäbe es nicht die rd. 500 Stiftungen mit Unternehmensbeteiligungen, die davon nicht oder kaum betroffen sind, würde das Stiftungswesen seine erst vor kurzem zurückerlangte Relevanz für das gesellschaftliche Leben in Deutschland bald wieder verlieren. Zudem schwindet gesellschaftlich die Einsicht, dass Vermögen „für die Ewigkeit“ unangetastet bleiben sollten.

Die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts

In der Debatte wurde oft übersehen, dass die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts unter staatlicher Aufsicht eine Erfindung des 19., die Kapitalförderstiftung als ideale Regelform gar eine des 20. Jahrhunderts ist. Stiftungen als solche dagegen gibt es nachweislich seit 5.000 Jahren in sehr unterschiedlichen Formen, aber mit vergleichbarem Grundkonzept. Gewiss mussten sie sich weiterentwickeln, und es hat sich inzwischen ein moderner Standard herausgebildet. Zu betonen ist, dass es hier nur um Stiftungen aus dem Grundansatz der Philanthropie und dementsprechend um die geht, die den steuerrechtlichen Status der Steuerbegünstigung anstreben oder angestrebt haben. Dass Stiftungen auch ein Instrument der Governance im rein unternehmerischen Bereich sein können oder ein Instrument, um eine (Unternehmens)Familie zusammenzuhalten, steht auf einem anderen Blatt.

Dennoch ist das entscheidende Merkmal einer Stiftung schon immer die Bindung an den Stifterwillen und nicht das rentierliche Kapital. Diese Bindung, und dies ist 2023 wohl noch viel deutlicher erkennbar, gilt nicht „ewig“ – denn nichts Menschliches kann von ewiger Dauer sein – aber doch auf die Lebenszeit der Stiftung. Deshalb kann beispielsweise eine alte Stiftung mit spezifischem Zweck nicht plötzlich Maßnahmen gegen den Klimawandel fördern. Was sich geändert hat, ist das Gefühl dafür, wie vorrausschauend in die Zukunft geplant werden kann. Wir leben heute in einer großen globalen Umbruchsituation, die wir mit dem Akronym VUKA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz) bezeichnen. Langfristige Prognosen sind da nur unter unklaren Vorzeichen möglich.

Die Autoren

Dr. Rupert Graf Strachwitz ist Vorstand der Maecenata Stiftung, München/Berlin, eines Think Tank für Zivilgesellschaft und Philanthropie, und berät seit über 30 Jahren Stifter und Stiftungen in strategischen und konzeptionellen Fragen.

Michael Seberich ist Managing Partner von Wider Sense, einer Beratungsfirma, die Stiftungen und Unternehmen in der Entwicklung von innovativen, wirkungsvollen Programmen für sozialen Wandel begleitet.

Teil 2 des Beitrags erscheint am 17. Mai 2023 Teil 3 des Beitrags erscheint am 24. Mai 2023

Lesen Sie weitere Berichte in den Rating-News der FUCHS|RICHTER Prüfinstanz zum Stiftungsmanagement

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