Nachhaltig nachhaltig?
Wer stiftet, gibt sein Geld zum Wohle anderer aus der Hand. Trotzdem möchten Stifterin und Stifter weiterhin sicherstellen, dass das übertragene Vermögen im eigenen Sinne verwaltet wird. Umso schmerzlicher ist es, wenn der Vermögensmanager nachlässig arbeitet.
Ein Fall aus der Praxis
Nach dem Tod ihres Ehemanns hat Erika Leebord knapp ein Fünftel ihres Vermögen, rund 2 Mio. Euro, in eine eigene Stiftung eingebracht. Da sie mit Vermögensanlagen wenig Erfahrung hatte, vertraute sie sich ihrer langjährigen Hausbank an, einem Privatinstitut. Da sich die Unternehmerwitwe ökologisch besonders engagiert, soll auch die Stiftung Projekte zum Erhalt der Natur fördern. Deshalb soll die Stiftungsanlage „nachhaltigen" Anlage-Anforderungen genügen.
Frau Leebord fühlte sich von ihrer „alten" Privatbank gut beraten, als diese sie beim Aufbau der Stiftung unterstützte. Auf die Frage, wie die Bank ein nachhaltiges Investment sicherstellen will, verwies ihr Vermögensverwalter auf das Researchinstitut oekom. Zudem riet er der Stifterin, auf eine hohe Bonität der Anleihen zu achten, um das Stiftungsvermögen nicht zu gefährden. Auch dies sei eine Form von Nachhaltigkeit. Gemeinsam mit der Stifterin entwarf die Bank Anlagerichtlinien. Danach müssen alle Anlagen den oekom-Mindeststandards entsprechen. So kommen nur Anleihen mit einer Mindestbonität von A- in Frage. Außerdem soll die Stiftung nur in Aktien, Fonds und Renten investieren.
Geringe Rendite gefährdet Stiftungszweck
Vermögensverwalter auf dem Prüfstand
Vier Jahre später beschleicht Frau Leebord das Gefühl, dass die Vermögensverwaltung nicht gut läuft. Immer wieder hört sie von ihrem Berater, dass die Märkte schwierig und die Erträge deshalb gering seien. Obwohl die Stiftung bisher nur wenig für Projekte ausgeschüttet hat, beträgt das Vermögen weiter nur etwas über 2 Mio. Euro. Auf den Rat einer befreundeten Stifterin sucht Frau Leebord eine unabhängige Zweitmeinung.
Die Stiftungsexpertin einer anderen Privatbank untersucht das Depot – und stellt fest, dass die Anlagerichtlinien nicht eingehalten werden. Der Wunsch der Stifterin, nachhaltig anzulegen, ist nur zu 60% umgesetzt. Es finden sich Werte im Depot, die den oekom-Kriterien nicht entsprechen. Noch brisanter: Die ausgewählten Fonds sind intransparent. So ist nicht auszuschließen, dass die Stiftung Erträge auch aus Kinderarbeit und Rüstungsunternehmen generiert. Ein Schock für die pazifistische Ex-Unternehmerin.
Die Überprüfung offenbart Schwächen
Die geringen Ausschüttungen sind dem Umstand geschuldet, dass die Privatbank thesaurierende Fonds eingesetzt hat. Damit steigt zwar der Fondswert, aber die Stiftung kann kaum Erträge ausweisen. Auch die Anleihen entsprechen nicht den verlangten Bonitätsanforderungen. Mehrere Rentenwerte haben ein Ausfallrisiko der Note BB. Ein schwerer Mangel. Die Bank hat das Depot offenbar nicht überprüft, wenn die Güte der Emittenten gesunken war. Zudem finden sich Anlagen im Portfolio, die in den Richtlinien nicht vorgesehen sind, darunter ein Immobilienfonds. Dessen Qualität ist zwar untadelig, doch die Anlageklasse war nicht vereinbart.
Die Enttäuschung bei Frau Leebord ist groß. Doch die schlechte Erfahrung lehrt sie, dass Vertrauen nicht ausreicht. Sie übergibt ihre Stiftung der Spezialistin der anderen Bank. Die will für mehr Transparenz sorgen. Als ersten Schritt vergleicht sie die Empfehlungen des oekom-research-Instituts mit denen des imug-Instituts in Hannover. Künftig soll ein vierteljährlicher Bericht der Stifterin die Nachhaltigkeit jeden Werts im Depot benoten. Er soll zudem eine Prognose der Ausschüttungen und der Vermögensentwicklung enthalten.
Die Stiftungsexpertin regt zudem an, die Anlagerichtlinien nicht als starres Regelwerk zu verstehen. Einmal im Jahr sollten sie auf die Tagesordnung kommen. Im Vorgriff gibt Frau Leebord schon mal die Anlagebeschränkung auf Aktien und Renten auf. Nun können auch Immobilien und marktneutrale Strategien zur Stabilisierung des Depots und der Erträge beitragen. Außerdem ersetzt sie die thesaurierenden Fonds durch Einzeltitel. Das erhöht die Erträge. Das neue Portfolio wird zudem unter „Stress" gestellt, der maximale Verlust definiert – und die Folgen für Rendite und Ausschüttung diskutiert.
Fazit: Die Verwaltung von Stiftungsvermögen sollte alle drei bis vier Jahre durch das Einholen einer Zweitmeinung auf den Prüfstand gestellt werden.