Kostentransparenz allein genügt nicht
Wenn mit Werten wie „Leidenschaft“ und „Verantwortung“ auf der Homepage geworben wird, sollten sie auch in der Praxis, also von den Beratern, gelebt werden. Sonst machen sie keinen Sinn. Wer von „einem Höchstmaß an persönlichem Engagement“ und dem „gemeinsamen Entwickeln einer individuellen Anlagestrategie“ spricht, muss Worten Taten folgen lassen. Andernfalls wird der Geschichtenerzähler zum „Märchenonkel“. So geschehen bei Proaktiva in Hannover, wo sich der Berater schlicht durch unzureichende Leistung ausgezeichnet hat. Doch zunächst zum Kunden selbst. Was war ihm wichtig?
Kundenanliegen:
- Alter: 35 Jahre
- Anlagevolumen: 3,5 Mio. EUR
- Anlagezeitraum: langfristig
- Laufende Einkünfte: mehr als ausreichend für die Lebenshaltung
- Renditeerwartung: > 5 % nach Kosten, vor Steuern und Inflation
- Zentraler Beratungsaspekt: Verunsicherung angesichts der weltweiten Schuldensituation und den Folgen von Corona
- Kundenwunsch: Altersvorsorge, sicherer Vermögensschutz
Schwächen
Es gelingt dem Berater schon nicht, eine angenehme Gesprächsatmosphäre herzustellen. Das Beratungsgespräch findet nicht wie inzwischen üblich, als Videokonferenz, sondern telefonisch statt. PROAKTIVA – das klingt nach Leuten, die ein Gespräch in die Hand nehmen und es engagiert führen, dabei den Faden in der Hand behalten. Man stellt sich Berater mit aufgekrempelten Ärmeln und "Energie im Gesicht" vor. Doch nichts davon. Ganz im Gegenteil hat der Kunde häufig das Gefühl, die Moderation des Gesprächs selbst übernehmen zu müssen. Kein Wunder also, dass er sich so nicht gut aufgehoben fühlt.
Letztlich beschäftigt sich der Berater mit sehr viel formalen Fragen sowie mit äußeren Aspekten, die mit dem eigentlichen Kundenanliegen wenig zu tun haben. Der Kunde erfährt etwas über die Kündigungsfristen des Vermögensverwaltungsvertrags, über die Häufigkeit des Reportings sowie über die Unternehmensgeschichte. Den Kundenanliegen geht der Berater jedoch nicht nach und versäumt es auch, sein Risikoprofil systematisch zu erfassen. Stattdessen heißt es etwas salopp, man empfehle ihm 50 % Aktien, aufstocken könne man ja immer noch.
Anlagevorschlag erst bei Mandatserteilung
Als der Kunde schließlich um die Zusendung eines Anlagevorschlags bittet, heißt es, einen solchen gebe es erst bei Mandatserteilung. Das ist unüblich im gehobenen Private Banking und macht „wenig Lust auf mehr“. Denn wer kauft schon gern die Katze im Sack? Tatsächlich erhält der Kunde im Nachhinein rein gar nichts – keinerlei Mails und keinerlei Infomaterial. Und das ist eindeutig zu wenig, um einen Kunden zu gewinnen; von begeistern wollen wir hier gar nicht reden.
Stärken
Man kann dem Berater zugute halten, die Kosten transparent dargestellt zu haben. Proaktiva zählt zu den Vermögensverwaltern, die eine Beratung auf Honorarbasis anbieten, um einen Interessenkonflikt zu vermeiden. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 1,1 % p. a. (inkl. MwSt.). Das ist eine durchaus übliche und damit akzeptable Größe – allerdings nur bei entsprechender Leistung. Und die wurde keineswegs geboten.
Epilog
"Mit rund einer halben Milliarde Euro an betreuten Anlegergeldern und mehr als 500 zufriedenen Kunden sind wir einer der führenden privaten Vermögensverwalter in Deutschland", wirbt der Vermögensverwalter auf seiner Homepage für sich. Wir fragen uns nach dem Gespräch, wie er das geschafft hat.
Der weitere Teil des Werbeblocks ist mangels konkreter Anlageempfehlung nicht zu verifizieren: "Unabhängigkeit ist seit 1990 unser höchstes Gut – gut für Sie, denn so können Sie sicher sein, nur die Kapitalanlagen von uns empfohlen zu bekommen, die wirklich zu Ihren persönlichen Zielen und Vorstellungen passen. Frei vom üblichen Provisionsdenken. Frei von Interessen Dritter. Frei von allem, was nicht unmittelbar mit Ihrem Anlageerfolg zu tun hat."
Investmentstil nur vom Hörensagen
Und auch das bleibt für den Interessenten unbelegt: "Unser Investmentstil ist „konservaktiv“ – er kombiniert das Streben nach Kapitalerhalt mit dem Chancendenken einer aktiven Anlagestrategie."
Da auch die redaktionellen Fragen von PROAKTIVA nicht beantwortet werden, raten wir zu einer Umbenennung: ANTIAKTIVA würde besser passen. Wir jedenfalls brauchen jetzt erst mal ANTIDEPRESSIVA.
Fazit: Den versprochenen Berater mit Leidenschaft hat unser Kunde bei Proaktiva nicht erlebt. Und Verantwortung hat dieser offenbar auch nicht übernehmen wollen. Der Kunde ging am Ende leer aus, da er nicht bereit war, die Katze im Sack zu kaufen. Denn „einen Anlagevorschlag gibt es erst bei Mandatserteilung."
Empfehlung: Proaktiva hat noch einen sehr weiten Weg vor sich, um sich für die Endrunde zu qualifizieren. Diesmal war die Leistung indiskutabel.