Allerdings beginnt das Projekt "Weltverbesserung" mit einem kleinen Fehlstart. Zwei Stunden nach seinem Anruf bei der Stuttgarter Niederlassung der Südwestbank (inzwischen BAWAG P.S.K.) erhält der Kunden einen Rückruf vom für ihn zuständigen Mitarbeiter. Dieser zeigt sich zunächst schlecht informiert: Die vorab geäußerten Infos hat die Zentrale offenbar an den im Homeoffice arbeitenden Berater nicht weitergeleitet, so dass sich der Kunde ein zweites Mal erklären "darf". Gut informiert zeigt sich der Kundenbetreuer hingegen beim Thema "Nachhaltigkeit". Leider muss er schließlich aus Urlaubsgründen passen, als es um die Vereinbarung eines gemeinsamen Termins geht. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Kunden weiterzureichen – und zwar an den Leiter Private Banking.
Jede Woche wird die Bank von Testern besucht
Dieser meldet sich drei Tage später beim Kunden. Am Ende des kurzen Telefonats ist es ihm besonders wichtig den Kunden darauf hinzuweisen, zum vereinbarten Beratungsgespräch einen Ausweis mitzubringen. Dies begründet er damit, dass die Bank "jede Woche von Testern besucht werde". Entsprechend hoch sei der damit verbundene unnötige Aufwand. Umso mehr bevorzuge es das Haus, "es mit realen Personen zu tun zu haben". Dazu möchte sich der Kunde in spe zählen und der – wenn auch etwas verwunderlichen – Ausweisaufforderung nachkommen.
Die zentralen Anliegen des Kunden:
- Anlagevolumen: 1,0 Mio. Euro
- Anlagehorizont: langfristig
- Nachhaltigkeitsfokus: "mit Blick auf die eigenen Enkel" und ohne "gravierende (Rendite-) Nachteile zu erleiden"
Das Gespräch ist am späten Nachmittag angesetzt und findet "nach Schalterschluss" statt. Immerhin – und dies empfindet der Kunde als persönliche Wertschätzung – holt ihn der Leiter Private Banking persönlich beim Empfang ab und fährt mit ihm in den 8. Stock. Die Begrüßung ist freundlich und den Weg zum Besprechungszimmer nutzt der Berater schon einmal für ein kleines Warmup. Angekommen im Besprechungszimmer bietet er dem erkälteten Kunden einen Tee an – sowie eine schöne Perspektive: einen Blick auf die Berge von Stuttgart.
Nach 45 Minuten immer noch bei der Selbstvorstellung
Drei Dinge stehen beim Beratungsgespräch im Mittelpunkt: die Vorstellung des eigenen Hauses, das korrekte Einhalten der gesetzlichen Regularien im Rahmen von Mifid II sowie ein pünktliches Zeitmanagement im Sinne des Kunden. Das Gespräch führt der Leiter zusammen mit einem weiteren Kundenbetreuer. Beide verwenden zunächst viel Zeit dafür, um die eigenen Werdegänge, die anstehende Übernahme "ihrer" Bank durch die BAWAG sowie das Dienstleistungsportfolio der Bank – von der Erbschaftssteueroptimierung bis hin zum Versicherungsbereich (alles Themen, die dem Kunden gerader nicht "unter den Nägeln brennen") – vorzustellen. Nach 45 Minuten sind sie bei Folie 22 angelangt: den verschiedenen Auszeichnungen der Vermögensverwaltung. Es erklärt sich von selbst, dass da das zentrale Kundenanliegen ein wenig warten muss.
Schließlich aber wenden sich die Berater dem Kunden zu und hinterfragen seine Situation sowie sein Interesse für die Südwestbank. Als sie erfahren, dass es dem Kunden vor allem darum gehe, sein Geld nachhaltig anzulegen, erklären die Berater, dass die Vermögensverwaltung dieses Thema "völlig individuell" abbilden könne. Dies klingt aus Kundensicht viel versprechend. Denn wer ist schon an Produkten "von der Stange" interessiert? Der Kunde zählt seine Ausschlusskriterien auf: keine Waffen, keine Landminen, keine US-Staatsanleihen und keine Drogen. Nun hätte sich der Kunde ein wenig Orientierung gewünscht. Denn ihn interessiert, wie die Bank sein Geld nachhaltig anlegen würde. Doch es bleibt "individuell" und vage. Bei aller Individualität aber hätte sich der Kunde als ersten Schritt eine Art Musterallokation gewünscht. Diese hätte dem insgesamt recht oberflächlichen Gespräch ein wenig Tiefe verliehen.
Nach 90 Minuten ist die Zeit rum
So aber ist es allmählich Zeit zu gehen. Denn etwas abrupt heißt es nach 90 Minuten um 18.30, die vorher vom Kunden vorgegebene Zeit sei rum. Um die Zeitressourcen des Kunden nicht zu überfordern, sei noch ein zweites Gespräch erforderlich. Darin würden dann die Inhalte der Vermögensverwaltung genauer erläutert werden. Zur Nennung der Gebühren bleibt angesichts des etwas abrupten Endes keine Zeit mehr. Immerhin erhält der Kunde im Nachhinein ein weitgehend korrektes Gesprächsprotokoll. Einen Anlagevorschlag hat er jedoch trotz seiner Bitten niemals erhalten.