Stiftungen fürchten den Buchhaltungs-Irrsinn
Seit Jahren suchen Stiftungen und Nonprofit-Organisationen verstärkt nach Alternativen bei der Geldanlage. Die niedrigen Zinsen und sinkenden Renditen bei Immobilien zwingen viele Stiftungen, die überschüssige Liquidität vermehrt in Aktien, Anleihen oder Fonds zu investieren. Diese ermöglichen positive reale Renditen, erzeugen aber gleichzeitig bei klassischem Vorgehen einen enormen Buchungs- und Beratungsaufwand für den Jahresabschluss und die Steuererklärung. Im ungünstigsten Fall wird die erzielte Rendite durch die gestiegenen Kosten auf null reduziert.
„Wertpapiere in Depots von Stiftungen sind ein Albtraum für jeden Steuerberater“, sagt Dr. Rolf Müller, Geschäftsführer der Nürnberger Steuerberatungsgesellschaft und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft fintegra. Da die Mehrzahl der deutschen Stiftungen nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) bilanziert, um die Entwicklung des Stiftungsvermögens korrekt abzubilden, müssen sie ihre Wertpapierdepots beleghaft verbuchen.
Fehler programmiert
Insbesondere für viele kleinere Stiftungen, die ihre Steuererklärung von einem ehrenamtlichen Buchhalter oder einem Steuerberater machen lassen, bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand.
„Unsere Erfahrung zeigt, dass bei vielen Stiftungen Belege bis zu viermal bearbeitet und verschiedene Excel-Listen mit Informationen geführt werden. Damit sind Fehler vorprogrammiert“, sagt Müller. Fehler, die Stiftungsvorständen teuer zu stehen kommen können. Schließlich können sie für fehlerhafte Steuererklärungen in die Haftung genommen werden.
Mühsame Suche nach Kursen und Währungen
Vor allem, wenn der Jahresabschluss ansteht, müssen die einzelnen Positionen nach dem HGB bewertet werden. Die gängigen Buchhaltungssysteme sind hier zumeist keine Unterstützung. Kurse und Währungen müssen aus den Systemen wie Onvista herausgesucht werden.
Bei der Bearbeitung der Steuerthemen kommen die Belege noch einmal auf den Tisch. Seit 2016 behält die Bank bei vielen steuerbefreiten Stiftungen die Kapitalertragsteuer auf Ausschüttungen ein. Um diese zu viel bezahlte Kapitalertragsteuer zurückerstattet zu bekommen, muss die Höhe der Steuer ermittelt werden. Selbst in den Fällen, in denen die Freistellungsbescheinigung die Abführung der Kapitalertragsteuer verhindert hat, muss die Stiftung prüfen, ob bei der Zahlung der Dividenden die vorgeschriebenen Mindesthaltefristen eingehalten wurden.
In der Praxis oft doppelter Aufwand
„In fast keiner Stiftung oder bei deren Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind die Arbeitsläufe so abgestimmt, dass diese Informationen bereits in der Buchhaltung eingeholt werden, sodass in der Praxis der Beleg ein weiteres Mal in die Hand genommen wird“, berichtet Müller aus der Praxis.
Das gilt auch, wenn bei der Jahresabschlussprüfung das sogenannte Umschichtungsergebnis ermittelt werden muss. Dabei müssen realisierte Ergebnisse aus der Umschichtung im Depot erfasst werden, um entsprechend steuerliche Rücklagen zu bilden.
„Buchhaltungs-Irrsinn“
Spätestens, wenn die Stiftungsaufsicht den Nachweis für den Kapitalerhalt haben will, werden die Belege ein weiteres Mal hervorgekramt. Um die Höhe der stillen Reserven nachzuweisen, müssen die Stichtagskurse zum Zeitpunkt des Jahresabschlusses herausgesucht werden. Diese sind für die Buchhaltung nicht relevant, werden also normalerweise nicht gesondert festgehalten.
„So etwas nenne ich einen Buchhaltungsirrsinn“, umschreibt Müller das Problem vieler Stiftungen. In der Folge lassen viele Stiftungen und deren Vermögensverwalter, die sich um die Anlage der Stiftungsgelder kümmern, die Finger von Aktien oder setzen diese nur sehr zurückhaltend ein.
Bank-Reportings selten speziell auf Stiftungsbedürfnisse zugeschnitten
Zwar stellen die Depotbanken zahlreiche Steuer-Dokumente und -Reportings zur Verfügung. Doch die sind gewöhnlich auf Privatanleger zugeschnitten und berücksichtigen nicht die komplexen handels- und steuerrechtlichen Regelungen für Stiftungen und Unternehmen. „Für die Wertpapierbuchhaltung, die Steuererklärung und den Jahresabschluss von Unternehmen und Stiftungen sind sie völlig unzureichend“, weiß Müller. Die fehlenden Daten müssen daher von den Mitarbeitern der Buchhaltung, dem Vermögensverwalter oder dem Steuerberater mühsam von Hand zusammengesucht und aktualisiert werden.
Bis zu 2.500 EUR Kosten
Bei einem Depot mit 30 einzelnen Aktien oder Anleihen können dabei schnell Kosten zwischen 2.000 und 2.500 EUR anfallen. So werden etwa die Transaktionsbelege einzeln erfasst und ausgewertet. Die Stichtags- und Durchschnittskurse der Wertpapiere müssen ermittelt, ein Finanzanlagenspiegel erstellt werden. Die gängigen Steuerberatungs- und Buchhaltungssysteme am Markt würden dafür keine Unterstützung liefern, erklärt Müller.
Derzeit ist die Münchner V-Bank eines der wenigen Geldinstitute, die für dort geführte Stiftungsdepots speziell aufgearbeitete Informationen bereithält. Über eine Schnittstelle der DATEV können Steuerberater der Stiftungen für diese Depots zudem ein sogenanntes Betriebliches Steuerreporting (BSR) erstellen. Dabei werden den Depotinhabern oder deren Steuerberatern alle für die Verbuchung, den Jahresabschluss und die Steuererklärung benötigten Informationen automatisch zur Verfügung gestellt. Der Steuerberater kann die Daten mit einem Klick in das DATEV-System oder seine Software übernehmen.
Betriebliches Steuer-Reporting Stiftung
Sehr viele Stiftungen legen handelsrechtlich freiwillig Rechnung. In diesem Zusammenhang müssen die Stiftungen dann Wertpapierdepots – wie Unternehmen – beleghaft verbuchen. Darüber hinaus müssen Sie in der steuerlichen Beurteilung Ihre Situation überprüfen, inwieweit trotz Steuerfreiheit Kapitalertragsteuer einbehalten wurde und ob diese erstattungsfähig ist. Um dies tun zu können, müssen die entsprechenden Positionen im Depot beleghaft aufgearbeitet werden. Die Organe der Stiftungen müssen sicherstellen und haften dafür, dass zu Anfang des Folgejahres im Vorjahr zu Unrecht (§ 36a EStG) nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer nachgezahlt wird.
Auch muss die Stiftung zur Bildung der sog. Umschichtungsrücklage Ab- und Zuschreibungen sowie Gewinne und Verluste im Depot gesondert beleghaft ermitteln.
Weiterhin muss die Stiftung gegenüber der Stiftungsaufsicht regelmäßig den Nachweis des Kapitalerhalts führen und braucht dafür zum Stichtag die Zeitwerte des Depots. Diese sind wiederum beleghaft zu erfassen und in den Nachweis zu integrieren.
Die digitale Lösung
- automatisierte Wertpapierbuchhaltung nach HGB
- Nachweis des Kapitalerhalts durch Mitteilung der stillen Reserven im Wertpapierdepot für die Stiftungsaufsicht.
- Automatisierte Ermittlung des Umschichtungsergebnisses.
- Behaltenachweis nach § 36a EStG unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse von gemeinnützigen Stiftungen (Einzelaufstellung der erstattungsfähigen Kapitalertragsteuer bzw. im Folgejahr nachzuzahlenden Kapitalertragsteuer).
Fazit: Erhebliche Reduktion des Zeitaufwandes „Allein in der Wertpapierbuchhaltung kann durch das Betriebliche Steuerreporting der Zeitaufwand um bis zu 80 Prozent gesenkt werden“, schätzt Müller. Die Kosten sinken bei dem Beispieldepot von rund 2.200 EUR auf etwa 1.150 EUR.
Hinweis: Zudem bekommen Vermögensverwalter mehr Freiraum bei der Aktienanlage. Sie müssen keine Transaktionen und bestimmte Assetklassen mehr vermeiden oder Fondsmäntel einsetzen, um für ein Depot einen möglichst geringen Verbuchungsaufwand zu erzeugen. Damit können sie vor allem schneller auf kurzfristige Verwerfungen an den Kapitalmärkten reagieren. Die Stiftungsverantwortlichen können schließlich mehr Geld für den eigentlichen Stiftungszweck ausgeben und erhalten ein Mehr an Prozess- und damit Rechtssicherheit.
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