Vontobel Europe: Ein großer Name zeigt wenige Schwächen
Die Bank Vontobel Europe AG ist die deutsche Niederlassung der Schweizer Vontobel Holding AG. Diese ist in den Bereichen Private Banking, Investment Banking und Asset Management aktiv. Die Bank mit Sitz in Zürich ist immer noch eine Privatbank im eigentlichen Sinn – sie befindet sich mehrheitlich im Besitz der Gründerfamilie. Im deutschsprachigen Raum gibt es zehn Filialen der Bank. Sie liegen in der Schweiz, Liechtenstein und Deutschland.
Zentrale Geschäftsfelder des Private Banking sind die Vermögensverwaltung, Anlageberatung, Beratung und Anlage für gemeinnützige Stiftungen und Nachhaltigkeit. Deutschen Kunden wird auch eine Cross-Border Vermögensberatung angeboten, bei der die Beratung in Deutschland stattfindet, das Depot aber in der Schweiz geführt wird.
Deutschland zweitgrößter Markt der Bank
Zum Ende 2016 betrug das verwaltete Vermögen im Private Banking der Vontobel Gruppe 39 Mrd. CHF, das Nettoneugeld betrug 2 Mrd. CHF. Das verwaltete Vermögen in Deutschland nahm in den letzten drei Jahren jeweils im zweistelligen Prozentbereich zu, auch wurden nach Angaben der Bank zahlreiche Neukunden gewonnen. Deutschland ist der zweitgrößte Markt nach der Schweiz.
Im Private Banking oder im Wealth Management berät ein Berater maximal 50 Familienverbünde oder 100 Kunden. Bei fallenden Märkten werden Kunden von ihrem Berater persönlich kontaktiert. Innerhalb von 24 Stunden werden die Kunden mit schriftlichen Markt-Updates und den Folgen für das jeweilige Portfolio informiert.
Ganzheitliche Beratung ab 1 Mio. Euro
Ab einem Vermögen von einer Mio. Euro werden Kunden individuell ganzheitlich beraten. Eine Fondsvermögensverwaltung bietet die Bank ihren Kunden ab einem Vermögen von 500.000 Euro. Die Vermögensverwaltung auf Einzeltitelbasis beginnt bei 2,5 Mio. Euro. Diese Vermögensgrößen sind Richtwerte, von denen die Bank im Einzelfall auch abweicht.
DER KUNDE UND SEIN ANLIEGEN
Dem Kunden sind mit der Flüchtlingskrise Bedenken bezüglich der Stabilität der EU gekommen. Und der BREXIT hat für ihn ganz neue Gefahren aufgezeigt: Die EU könnte auseinanderbrechen. Mittlerweile ist der Kunde soweit, dass er ernsthaft überlegt, (ganz) in ein Land außerhalb der EU zu ziehen oder zumindest dort einen zusätzlichen Wohnsitz zu gründen. Er verfügt über ein Gesamtvermögen von ca. 8.000.000 Euro, davon 4.000.000 in Immobilien. Als laufenden Einnahmen stehen monatlich 10.000 Euro nach Steuern zur Verfügung. Das bisherige Depot ist zu. 100 % in Europa angelegt. Das neue Depot soll nur noch zu 25 % in Europa investiert sein.
DAS BERATUNGSERLEBNIS
Von der Vermittlung werden wir gleich an den Berater weitergeleitet. Wir erläutern unseren Wunsch, raus aus dem Euro zu gehen. Der Berater erklärt, dass die Bank auf die Vermögensverwaltung in Fremdwährungen spezialisiert ist. Einen Fremdwährungs-Anteil von 75% hält er aber für recht hoch. Er betont die konservative, auf Vermögenserhaltung ausgerichtete Anlagephilosophie der Bank.
Wir überlegen nicht lange: Vontobel scheint für uns bei unserem Vorhaben ein geeigneter Partner zu sein. Jedenfalls wollen wir es probieren. Beim zweiten Telefonat erinnert sich der Berater gleich an uns. Der Beratungstermin ist schnell vereinbart. Neben dem Anfahrtsplan schickt uns die Bank eine Unternehmenspräsentation und eine Visitenkarte des Beraters.
Vor–Ort-Gespräch
Der Alte Hof in München ist die zentral in der Altstadt gelegene ehemalige Residenz der bayerischen Herzöge. Beste Lage, sehr gepflegt. Der ehemalige Bayern-München-Arzt Dr. Müller-Wohlfahrt hat seine Praxis in einem angrenzenden Gebäude. Vontobel Europe residiert in einem Neubau, dessen Gestaltung an die der umliegenden historischen Gebäude angepasst wurde.
Im Haus selbst haben sich weitere Unternehmen eingemietet. Der Eingangsbereich wird gerade renoviert. Mit dem Lift erreichen wir das 2.OG. Dort angekommen begleitet uns ein Mitarbeiter ins Beratungszimmer. Der Raum ist eher klein, mit einem runden Besprechungstisch und sechs Stühlen auf einem runden, flockigen Teppich ausgestattet. Manches erscheint uns eigenwillig. So ist eine Wand grün gestrichen. Neben der Eingangstüre hängt ein großes Bild, neben dem rechts und links zwei Wandlampen platziert sind. Zwei große Fenster zum Innenhof gegenüber dem Eingang lassen viel Licht in den Raum. Zwei große weiße Sideboards befinden sich an den Seitenwänden. Über dem runden Tisch hängt eine halbkugelförmige Lampe mit Blumenmuster.
Gesprächsinhalte und konkrete Beratung
Zunächst bespricht der Berater die aktuelle Zinsentwicklung, die noch immer von der Finanzkrise bestimmt sei. Der „Investors Outlook November" der Vontobel Bank dient als Grundlage zur Besprechung aktueller Markttendenzen. Die Bank vertrat damals (November 2016) eine abwartende Haltung. Sie empfahl den Verkauf langlaufender US-Staatsanleihen und den Aufbau von Liquidität und Gold. Aktien und Rohstoffanleihen blieben unverändert. So wirbt der Berater bereits beim Aufwärmen mit den vorausschauenden Vermögensverwaltungskünsten seines Hauses.
Sogleich führt er eine detaillierte Analyse des bestehenden Portfolios durch, das wir vorgelegt haben. Dabei zeigt sich, dass fast ein Fünftel des Anleihevermögens in italienischen Staatsanleihen investiert wurde und vom damals bevorstehenden Referendum (das im Dezember 2016 stattfand) betroffen wären. Gut aufgepasst! Die Mischung der Einzelwerte des Portfolios hält er für nicht optimal. Die anfallenden Kosten seien mit 1,39% recht hoch. Die Aufteilung von 70/30 findet er insgesamt aber gut. Er empfiehlt, unser altes Portfolio komplett zu verkaufen, weil sich unsere neuen Anforderungen so sehr von dem Bestand unterscheiden würden.
Empfehlungen für das neue Portfolio
Unseren Ansatz, 75% außerhalb des Euro anzulegen, hält der Berater für sehr forsch, aber nachvollziehbar. Das neue Depot soll auf den drei Regionen Europa, USA und Schweiz basieren. Dabei soll der Aktienanteil eine Bandbreite zwischen 60 und 80% aufweisen. In dieser Bandbreite soll auch der Fremdwährungsanteil liegen. Für unser Portfolio empfiehlt der Berater ETFs, diese seien besonders kosteneffizient.
In den USA erwartet er nach der Trump-Wahl einen Aufschwung bei Bau, Rüstung, Energie und den Tech-Werten. Er nennt Boeing, Johnson&Johnson, Amazon und Facebook als Aktien, die für unser Depot in Frage kämen. Um die Bauindustrie abzudecken will er ETFs nutzen, bei Rüstung auf sechs bis sieben Einzelwerte zurückgreifen. Für Details können Portfoliomanager vor Ort herangezogen werden.
25% Schweizer Werte empfohlen
Schweizer Werte sollen etwa 25% des Gesamtportfolios ausmachen. Die Hälfte sollte in die größten Aktien des Landes – Nestlé, Novartis, Roche, UBS - investiert werden, die andere Hälfte in Nebenwerten. Das Fokus Mandat CH von Vontobel biete sich hier an, meint der Berater. Der Dollaranteil werde hingegen speziell nach unseren Wünschen aufgelegt.
Schweizer-Franken-Anleihen hält der Berater hingegen für unser Depot für ungeeignet. Ebenso wenig hält er von Schwellenland-Anleihen. US-Anleihen und solche aus starken europäischen Volkswirtschaften sollen das Rentenportfolio ausmachen. Der Gold-Anteil solle bei maximal 5% liegen.
Das Research erfolgt bei der Bank Vontobel AG in Zürich. Sie betreibt Makro-Research, Research für die Investment Strategie (Tactical Asset Allocation), für nachhaltige und thematische Investments, Fondsresearch und Kreditresearch für Anleihen. Bei Schweizer Aktien, besonders im Bereich Small- und Mid-Caps ist die Bank besonders renommiert. Auch internationale Aktien werden analysiert. Außerdem arbeitet Vontobel mit weltweit tätigen Researchdiensten und Brokerhäusern zusammen.
Schützen und bewahren
Unser Berater betont das Motto der Bank, „schützen und bewahren". Demnach gehe die Bank keine unnötigen Risiken ein. Zur Bewertung des Risikos wird ein wöchentlicher Indikator erstellt mit Hunderten von Parametern. Das ganz heißt risk on-risk off-Indikator (roro). Die Volatilität des Portfolios bei einer anvisierten Bruttorendite von 5% erreicht im ersten Jahr 6 bis 8%. Der maximale Verlust soll bei weniger als 10% liegen. Für das Portfolio soll ein historischer Stresstest erstellt werden. Um unsere eigene Risikoeinstellung beurteilen zu können, hat die Bank ein Formblatt zum Eintragen persönlicher Angaben zur Risikobereitschaft erarbeitet. Hier könnte man sich durchaus mehr an Risikoberatung – speziell zum Thema Währungsrisiken – vorstellen.
Die Nachbetreuung
Noch bevor wir den Anlagevorschlag erhalten, bringt sich die Bank mit zwei E-Mails in Erinnerung – eine über erhaltene Auszeichnungen, die andere zur Eigentümerfamilie. Nachdem wir den Anlagevorschlag erhalten haben, fragt die Bank telefonisch nach. Im Dezember erhalten wir den aktuellen Investors Outlook und eine Weihnachtskarte. Außerdem lädt uns die Bank zu einem klassischen Konzert ein, (an dem wir leider nicht teilnehmen können).
Als wir unserem Berater erklären, das Vermögen doch nicht bei der Bank anlegen zu wollen, erwähnt er die Möglichkeit, nur einen Teil bei Vontobel anzulegen. Danach meldet er sich nochmals telefonisch, um diese Möglichkeit in Erinnerung zu bringen. Er wolle sich immer wieder mal melden, um den Kontakt aufrecht zu halten und uns mit Informationen zu versorgen.
Der Anlagevorschlag aus Kundensicht
Der Anlagevorschlag hat aus unserer Laiensicht Stärken und Schwächen. Die Auflistung der Portfolioaufteilung im Anlagevorschlag gefällt uns gut. Der Anteil der jeweiligen Fremdwährungen und der alternativen Investments ist damit schnell zu erkennen. Die historische Rückrechnung und die Zukunftsbetrachtung mit einer Darstellung der Verlustrisiken ist gut gelungen.
Leider ist der Vorschlag wenig übersichtlich. Es fehlt ein detailliertes Inhaltsverzeichnis. Unsere Wünsche werden nicht dargestellt. Außerdem fehlen die Gebühren. Die Nettorendite über zehn Jahre wird nicht ermittelt. Die beiden letzten Punkte waren aber im Beratungsgespräch vereinbart worden. Die Renten machen im Anlagevorschlag nur 12% des Vermögens aus. Der Anteil ist damit wesentlich geringer, als von uns erwartet.
Gebühr
Die Gebühren für unser Portfolio sollen 0,8% betragen, zzgl. MwSt., so die Aussage im Beratungsgespräch. Kickbacks werden an uns weitergereicht. Laut Auskunft der Bank werden bei einem Vermögen von 1,1 Mio. Euro normalerweise 1,25% Gebühren fällig. Bei 3,1 Mio. Euro sind es 1,1%, bei 5,1 Mio. Euro 1%, jeweils zzgl. MwSt.
Die Bank bietet eine All-In-Fee mit und ohne erfolgsabhängiger Vergütung an. Provisionen und Kickbacks werden dabei rückerstattet, Drittkosten weiterverrechnet. Über die erhaltenen Kickbacks und andere Zahlungen werden die Kunden entsprechend der MiFiD-Regelungen in einer jährlichen Auswertung als Anlage zum Jahresreporting informiert. Das Kundenkonto wird quartalsweise mit den Gebühren belastet.
HINWEIS: Dieses Bankenporträt beruht auf den Eindrücken aus einem individuellen Erstberatungsgespräch, das ein zuvor geschulter Testkunde durchgeführt hat. Die wiedergegebenen Eindrücke wurden während des Gesprächs oder unmittelbar danach schriftlich protokolliert. Subjektive Wahrnehmungen lassen sich nicht ausschließen. Der Testkunde hat sich zur Neutralität gegenüber dem getesteten Institut verpflichtet. Die Bewertung wurde nach einem festen Schema vorgenommen, das die Private Banking Prüfinstanz erstellt hat. Es beruht auf der jahrelangen – wissenschaftlich untermauerten – Beschäftigung mit dem Thema Beratungsqualität im Private Banking durch die Private Banking Prüfinstanz, Dr. Richter | IQF und Ralf Vielhaber | Verlag FUCHSBRIEFE.
WISSENSWERTES
Bank Vontobel Europe AG, Alter Hof 5, 80331 München, www.vontobel.de
MEHR INFORMATIONEN ZU TOPS 2018
Vermögende wollen gut beraten werden. Ebenso wichtig ist aber, dass das anvertraute Kapital solide verwaltet und vermehrt wird. Der Markt der Vermögensverwaltung ist intransparent. Getreu unserem Motto „Wir machen Qualität transparent" verfolgt das Performanceprojekt der Private Banking Prüfinstanz genau dieses Ziel.
Die Vontobel Europe AG nimmt anonymisiert am Performance-Projekt teil.
Gibt es Verfahren oder Streitigkeiten mit Kunden?
Es liegen uns keine Hinweise vor, die Vertrauensampel steht auf Grün.
Das Moody's Rating vom März 2016 lautet Aa3 für die Schweizer Bank Vontobel AG und A3 für die Vontobel Holding AG. Der Ausblick ist stabil.
Das Cost-Income-Ratio, der Vontobel Gruppe lag 2016 bei 68%. Das heißt: Der Aufwand, der betrieben wird, um 1 Euro zu erwirtschaften, liegt bei 68 Cent. Das ist ein im Wettbewerbsmaßstab gesehen vergleichsweise geringer Wert.
Eigene Produktpalette
Neue Investmentprodukte oder Assetklassen werden mit den Kundenbedürfnissen abgestimmt. Durch Markt- und Konkurrenzbeobachtung werden interessante Produkte herausgefiltert. Die Fachgremien in verschiedenen Ländern bewerten dann die Tauglichkeit für Vontobel.
Vontobel bietet eigene Investmentprodukte an. Ziel der Bank ist es dabei, „Best-In-Class"-Produkte zu kreieren, die auf dem Markt wettbewerbsfähig sind.
Die Bank sieht sich als spezialisierten Multi-Boutique-Asset-Manager. Sie bietet innovative und transparente Anlagelösungen für private und institutionelle Kunden. Ziel ihres aktiven Managements der Investmentfonds ist eine überdurchschnittliche Performance.
Kunde kann eigene Produktlösungen kreieren
Im Bereich strukturierter Produkte bietet Vontobel eine integrierte Handelsplattform, die es Kundenberatern ermöglicht, individuelle Anlagelösungen zu kreieren. Damit gehört die Bank zu den Top-Emittenten in Deutschland und der Schweiz.
Weil alle Retrozessionen bei Fonds an die Kunden zurückgegeben werden, stehen die hauseigenen Produkte im Wettbewerb mit den fremden Produkten. Maßgeblich für die Anlageentscheidung ist das Best-In-Class-Prinzip. In der Regel wird weniger als 5% des Anlagevermögens in hauseigene Produkte angelegt.
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Fazit: Eine ganz runde Sache ist das Beratungsgespräch bei Vontobel Europe diesmal nicht – aber in der Summe dennoch überdurchschnittlich und überzeugend. Das Vorgespräch verläuft zügig. Wir werden gleich mit einem Berater verbunden, der die wesentlichen Punkte anspricht. Im gespräch fehlt stellenweise die Konzentration auf das Wesentliche. Abläufe, Bankorganisation und die Anlagestrategie erklärte der Berater wiederum sehr gut verständlich. Auch die Marktdiskussion und das Gespräch zu unserem bestehenden Portfolio überzeugen, ebenso die Entwicklung erster Ideen, wie das neuen Portfolio aussehen könnte. Dass die Gebührenangaben im Anlagevorschlag fehlen – entgegen der Absprache im Beratungsgespräch –, empfinden wir allerdings als Manko.
HINWEIS: Die erreichte Gesamtpunktezahl sowie den Vergleich mit rund 100 weiteren Anbietern lesen Sie im November in „TOPs 2018".