Die 2010er Jahre: Wechsel in der Qualitätsführerschaft
Die Finanzkrise im Jahr 2008 war ein Wendepunkt im deutschsprachigen Private Banking Markt, und die Bankenwelt war mitschuldig. Die Reputation des Sektors insgesamt litt schwer. Der bis dahin gesuchte Beruf des (Private) Bankers hatte plötzlich gerade auch bei jüngeren Menschen ein Schmuddelimage. Viele Kunden verloren enorm viel Geld, weil ihnen Banken teure Beteiligungsprodukte und unverständliche Zertifikate ins Portfolio gelegt hatten. Über das Risiko eines möglichen Totalverlustes war nicht aufgeklärt worden. Oft hatten die Berater, die von ihnen verkauften Produkte selbst nicht richtig verstanden.
Der Staat greift in den Beratungsprozess ein
Der Staat griff in den Beratungsprozess ein und entwickelte neue Standards für die Beratung, die vor allem an den Bedürfnissen von Kleinkunden ausgerichtet sind. Die Reformbemühungen mündeten in der 2018 in Kraft getretenen Brüsseler „Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente“. MiFID II, Markets in Financial Instruments Directive), ist seitdem das regulatorische Rahmenwerk für Wertpapiergeschäfte in Europa.
Telefonate mit Kunden müssen seit 2018 mitgeschnitten werden, standardisierte Protokolle erstellt werden. Sie machen den Beratern immer Arbeit, aber für den individuelle Beratung und Betreuung suchenden Private-Banking-Kunden in der vorgeschriebenen standardisierten Form selten Sinn machen. Die Umsetzung beschäftigt die Banken zum Teil noch heute. Das kostet(e) enorme finanzielle und personelle Ressourcen und lenkte den Blick vom Wesentlichen ab: vom Kunden und seinen Bedürfnissen.
Die Qualität am deutschen Private-Banking-Markt fällt wieder zurück
In Deutschland, lange Jahre Qualitäts- und Innovationsvorreiter im Private Banking, schlug das besonders stark durch. Die Qualität entwickelte sich zurück. Der Expansionsprozess der Schweizer kam ins Stocken, der deutsche Markt verlor damit einen Wettbewerbsimpuls. Immer mehr Häuser zogen sich vom deutschen Markt zurück oder dampften ihr hiesiges Geschäft ein. Fusionen und die Schließung vielfach erst vor kurzer Zeit eröffneter Niederlassungen prägten die Branche.
Der Standort Luxemburg verabschiedete sich bis 2015 als Anlaufstelle für deutsche Kunden aus dem Geschäft. Schade, eigentlich … Denn zuvor hatten die Private-Banking-Abteilungen der dortigen Banken qualitativ deutlich zugelegt, zumindest die in Luxemburg ansässigen deutschen Adressen. Einziger, aber gravierender Nachteil: Sie waren im Vergleich zu den Mutterhäusern zu teuer und boten, da auch im europäischen Rechts- und Währungsraum beheimatet, keinen signifikanten Vorteil mehr.
Der Weißgeld-Ruck geht durch Österreich, Liechtenstein und die Schweiz
Durch die Schweiz, Österreich und Liechtenstein ging nach 2008 ein „Weißgeld“-Ruck. Die Schließung des Bankhauses Wegelin, das harte Vorgehen der US-Steuerbehörde gegen die schweizerischen Banken, zwang diese zu einem konsequenten Abschied von Steuerspar-Strategien und einer stärkeren Fokussierung auf beraterische Tugenden und Stärken.
Die Schweiz hat für Kunden aus aller Welt bis heute ihre Attraktivität als unabhängiger Finanzplatz mit starker Währung. Das wird sie auch weiter stark im Bewusstsein deutscher Kunden halten. Vor allem, je mehr Europa und der Euro abrutschen. Der Qualität in der Beratung selbst war das aber bis heute nicht zuträglich. Der Standortvorteil nimmt Qualitätsdruck aus dem Markt.
Die 2010-er Jahre: Das Jahrzehnt der Standardisierung
Das zweite Jahrzehnt ist somit das Jahrzehnt der Standardisierung im Beratungsprozess und bei den Anlageprodukten. Für den Kunden, der individuelle Beratung und Anlagekonzept sucht, ist das keine gute Nachricht. Das Niveau im Beratungsprozess hatte sich zwar in der Breite deutlich gesteigert. Beratungsprotokolle waren lange Zeit State of the Art, Anlagevorschläge nahmen immer häufiger Punkte auf, die die FUCHS | RICHTER Prüfinstanz in ihren Markttests als Best Practice aus Kundensicht herausgestellt hatte. Doch auch hier wurde und wird unter dem Eindruck von Kosteneinsparnotwendigkeiten das Rad wieder zurückgedreht.
Und das, obwohl die Notenbankpolitik einen Anlagenotstand provoziert hatte. Das Gelddrucken spülte enorme Anlagevermögen an die Strände der Vermögensverwaltungen, aus denen sie Provisionen abschöpfen konnten. Doch das rückläufige Zinsgeschäft lastete schwer auf den Banken insgesamt und so hatten nur wenige Häuser die Mittel, weiter in Qualität zu investieren.