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TOPS 2022: Brandschutzmauer fürs Vermögen

Vermögenssicherung: Von „Brandmauern“ und „Schwarzen Schwänen“

Schwarze Schwäne. Copyright: Pexels
Wer hat 1988 mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Ostblock-Staaten gerechnet? Wer hat 2007 die Lehman-Pleite und die Finanzkrise vorhergesehen? Und wer hat schließlich genügend Fantasie gehabt, um sich Corona mit allen wirtschaftlichen Folgen auszumalen? Alles Beispiele dafür, dass es nicht selten anders kommt als es uns die Volkswirte mit ihren Prognosen weismachen wollen. Was also tun, um das Vermögen gegen mehr oder weniger vorhersehbare Flächenbrände zu schützen?

Zu den Standardfloskeln im Private Banking zählen inzwischen Aussagen wie „die Märkte werden volatiler“ und „die Unsicherheiten nehmen zu“. Doch was tun die Finanzinstitute, um angesichts der Unsicherheiten das Vermögen ihrer Kunden zu schützen? Welche Worst-Case-Szenarien haben sie im Hinterkopf? Welche Risiken halten sie überhaupt für wahrscheinlich?

Inflation wird zum Topthema

Was beunruhigt die Verbraucher? Wie lauten die größten Sorgen der Anleger? Folgt man der Medienpräsenz, so hat es das Thema Inflation inzwischen in die Top-Charts der Wirtschaftsnachrichten geschafft. Unter dem Stichwort „Inflation Vermögen sichern“ finden sich aktuell auf Google 560.000 Einträge. Das Stichwort „Inflation Deutschland 2021“ taucht gar 11 Mio. mal auf. Keine Frage: Wenn von den Verlustängsten der Anleger die Rede ist, kann über die Sorgen einer möglichen Geldentwertung nicht geschwiegen werden. Tatsächlich bewegen sich die Inflationszahlen auf Rekordhöhe: 4,1% Inflationsrate für den Monat September markieren den höchsten Stand seit 28 Jahren in Deutschland. Mit noch höheren Preisanstiegen haben die Amerikaner zurechtzukommen. Der Verbraucherpreisindex stieg im Juli 2021 um 5,4 % im Vergleich zum Vorjahresmonat. 

Papiergeld vernichtet Vermögen

Das Leben wird immer teurer. Der Verbraucher bekommt es zu spüren anhand deutlich gestiegener Lebensmittelpreise und Energiekosten, Mieterhöhungen sowie zum Teil dramatisch angehobener Preise in der Hotellerie und in der Gastronomie.  Was der Verbraucher als teuer erlebt, empfindet der konservative Anleger als Entwertung seines Vermögens. Wer sein Vermögen in Papiergeld – also vornehmlich in Anleihen investiert – erlebt faktisch eine Geldentwertung. Deutsche Staatsanleihen rentieren selbst bei einer Laufzeit von knapp 20 Jahren negativ. Und die Rendite einer italienischen Staatsanleihe bewegt sich bei einer zehnjährigen Laufzeit im Promillebereich. Dies ist freilich nicht neu. Bereits seit vielen Jahren bewegt sich der risikolose Zins deutlich unter dem Inflationsniveau. Doch mit den höheren Inflationsraten gewinnt die Geldentwertung an Dynamik.  

Und wer sein Geld in Anbetracht der wenig verlockenden Rendite im Rentenbereich erst gar nicht investiert, wird von den Banken „bestraft“.  Zu einer Art Weckruf haben zuletzt die Straf- bzw. Negativzinsen beigetragen. Für Einlagen werden ab einem höheren Betrag inzwischen von der Mehrzahl der Finanzinstitute sog. „Verwahrentgelte“ genommen, um auf diesem Wege die Negativzinsen der EZB an die Kunden weiterzugeben. Dies sind in der Regel bis zu 0,5 % p. a. Soll heißen: Wer 100.000 Euro auf dem Konto liegen lässt, muss jährlich 500 Euro dafür zahlen. Berücksichtigt man dann noch die aktuelle Inflation i. H. v. 4,1 %, so liegt die jährliche Geldentwertung bei dem genannten Betrag bereits bei 4.600 Euro. 

Vermögensschutz ist risikolos nicht mehr möglich

Aus Sicht der hoch verschuldeten Staaten sieht die Sache freilich anders aus: Wenn wie im Falle einer 10jährigen Bundesanleihe der Schuldner negative Zinsen zahlt, so bedeutet dies eben nicht nur, dass der Gläubiger „darauf zahlt“, sondern eben auch, dass sich der dahinter stehende Staat entschuldet – auf Kosten des Anlegers. So gesehen haben die Staaten – anders als die meisten deren Bürger – ein Interesse daran, die Zinsen niedrig zu halten und die Schuldenberge zu inflationieren. Zwar befinden wir uns schon seit Jahren in einer finanziellen Repression. Doch erst sehr zeitversetzt kommt diese bei Verbrauchern und Anlegern an. Halten wir zunächst fest, dass es nicht mehr möglich ist, sein Vermögen risikolos zu schützen. Wer sein Vermögen schützen möchte, muss heute offenbar bereit sein, Risiken einzugehen.  

Inflation nur ein kurzfristiger Sondereffekt?

Spricht man die Banken auf die gegenwärtigen Preissteigerungen an, so heißt es (fast) unisono, diese seien auf coronabedingte Sondereffekte zurückzuführen: Da sei zum einen das Nachholbedürfnis der Konsumenten, sodann die durch Grenzschließungen und Lockdowns unterbrochenen Lieferketten, die gestiegenen Energiekosten sowie die daraus resultierenden Produktions- und Transportkostensteigerungen. Hinzu kommen nationale Sondereffekt wie die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung in Deutschland sowie die Konsumchecks und Steuererleichterungen in den USA. Alles vorübergehende Effekte, die nach Ansicht der Banken spätestens in 2022 keine Rolle mehr spielen dürften. 

„Verstaatlichung“ der Geldpolitik

Jenseits der optimistischen Bankenwelt existieren allerdings auch Gegenmeinungen. Der lange als „Deflationist“ bezeichnete Ökonom Russell Napier etwa geht inzwischen davon aus, dass wir eine langfristig steigende Inflation erleben werden. Letztlich sieht er eine Schwächung der Zentralbanken auf uns zukommen. Diese hätten sich zunehmend den Regierungsinteressen unterzuordnen. Und mit dem Klimawandel habe sich der Fokus der politischen Agenda verschoben. Außerdem rechnet er mit einem steigenden Geldmengenwachstum. Biden plant, 2 Bio. USD in nachhaltige Infrastruktur zu investieren. In Europa ist im Rahmen des Green Deals von 1 Bio. Euro die Rede.  Um allein Deutschland klimaneutral zu machen, müssen  u. a. 12 Mio. Heizungen, 50 Mio. Autos, 80 Stahlwerke und 54 Zementwerke umgerüstet werden. Es sei längst nicht mehr im Rahmen der Geldpolitik so wichtig, die Inflation unter 2 % zu halten. Anstelle der Inflationskontrolle gelte es nun, entsprechende Gelder für den Klimaschutz bereit zu stellen und ein entsprechendes Geldmengenwachstum in Kauf zu nehmen. Napier rechnet mit Inflationsraten i. H. v. 4 bis 5,5 % für die Industrieländer in den nächsten zehn Jahren.

All dies führe zu einer Ausweitung der Bankenbilanzen und einer Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Zwar haben sich die Bankenbilanzen der alten Industrieländer schon nach der Finanzkrise vervielfacht. Doch blieb das Geld überwiegend im Bankensystem stecken. Mit Hilfe der Notenbanken reinigen die Banken ihre Bilanzen. Zuletzt konnten sich die europäischen Banken über TLTRO im Rahmen von Corona zu -1 % refinanzieren – im Grunde eine Subventionierung der Banken durch die EZB. Und auch die Aufkaufprogramme der Notenbanken haben dazu beigetragen, dass die Vermögenswerte geradezu inflationär steigen. Derzeit kauft die Notenbank monatlich für 80 Mrd. USD US-Staatsanleihen und für 40 Mrd. USD hypothekenbesicherte Wertpapiere. Verblieb das Geld lange Zeit im Bankensystem, so erleben wir nun durch deutlich gestiegene Preise bei Verbrauchsgütern, dass das Geld auch in der Realwirtschaft ankommt. 

Russell Napier: Ökonom und Kapitalmarkthistoriker sowie Gründer des Studiengangs „Practical History of Financial Markets”.  Zugleich ist er Initiator der Library of Mistakes, einer Bibliothek für Finanzmarktgeschichte. Seit 1995 schreibt er ökonomische Strategiepapiere für institutionelle Investoren.
Charles Goodhart: Wirtschaftsprofessor an der London School of Economics, langjähriger Mitarabeiter der Bank of England und Mitautor des Buches „The Great Demographic Reversal“. In dem Buch legt er gemeinsam mit Manoj Pradhan dar, wie sich aufgrund der alternden Bevölkerung unser Wirtschaftswachstum verlangsamen und die Inflation deutlich erhöhen wird.

Die erhöhten (Produktions-)Kosten der Entglobalisierung

Charles Goodhart macht für seine Inflationsszenarien v. a. Entglobalisierungstendenzen geltend. Aus Sicht des Ökonomen sind zuletzt die Gefahren globaler Lieferketten aufgrund der sich daraus ergebenden Abhängigkeiten zu den Zulieferern offensichtlich geworden. Außerdem werde im Zuge der Pandemie und des Klimawandels der hemmungslose Freihandel durchaus kritisch gesehen. Damit seien unnötige Transportwege zu hinterfragen. In vielen Fällen mache es Sinn, die Produktionsstätten aus den Billiglohnländern wieder in das eigene Land zu holen. Auf jeden Fall sei abzuwägen, ob die hohen Transportkosten sowie die kommunikativen Herausforderungen angesichts unterschiedlicher Businesskulturen tatsächlich die niedrigeren Produktionskosten aufwiegen. Insofern verwundert es nicht, dass Goodhart für einen bewussten Lokalismus plädiert und dabei sicherlich die Umweltschützer auf seiner Seite hat. 

Für die Zurückverlagerung der Produktionsstätten sprächen außerdem die sich anbahnenden Handelskriege wie etwa der zwischen den USA und China. Mal abgesehen davon, dass die Waren aufgrund von Zollerhöhungen teurer werden, ist der „neue“ Protektionismus auch (macht)politisch motiviert. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Produktionskosten und mithin die Verbraucherpreise steigen, wenn wieder mehr inländisch produziert wird.  

Lohn-Preis-Spirale setzt ein

Neben den höheren Produktionskosten argumentieren beide Ökonomen, dass die arbeitsfähige Bevölkerung in den westlichen Ländern, aber eben auch in China (nicht zuletzt wegen der 1-Kind-Politik) abnehme. Wenn das Angebot an Arbeitskräften zurückgeht und die Nachfrage gleichzeitig steigt, so führt dies automatisch zu höheren Löhnen und höheren Preisen. A propos Lohnerhöhungen: Angesichts der aktuellen Inflationszahlen werden sich auch die Gewerkschaften mit ihren Forderungen nach Lohnerhöhungen nicht weiter zurückhalten. War im ersten Coronajahr aufgrund der schwachen Wirtschaftszahlen noch Zurückhaltung angesagt, so hat der Druck der Beschäftigten auf die Gewerkschaften inzwischen zugenommen. Bahnstreiks, Fünf-Prozent-Forderungen im öffentlichen Dienst sowie sich anbahnende Tarifkonflikte sind die Folge.

Höhere Löhne wiederum ziehen höhere Preise nach sich. Die sog. Lohn-Preis-Spirale nimmt an Fahrt auf. Und dies im Übrigen auch in politischer Hinsicht: Nicht nur in Deutschland wird darum gestritten, die Mindestlöhne anzuheben. Um den sozialen Frieden zu wahren und ein weiteres Auseinanderklaffen der Gesellschaft zu verhindern, wird eine Anhebung der Mindestlöhne inzwischen weltweit diskutiert. In den USA beabsichtigen die Demokraten den Mindestlohn von derzeit 7,25 USD auf 15 USD schrittweise bis 2025 zu erhöhen. Und auch die chinesische Regierung möchte verhindern, dass die Lohnschere weiter auseinanderklafft. Zugleich möchte man mit einer Erhöhung der Mindestlöhne den Binnenkonsum ankurbeln. Kurz und gut: Es wird Lohnerhöhungen auf breiter Ebene geben. Auch dies spricht für eine andauernde Inflation. 

Vermögensblasen

Wie zuvor erwähnt, haben wir in den letzten Jahren eine Inflationierung der Vermögenswerte erlebt. Und damit sind wir bei einer weiteren Gefahr für die Finanzmärkte angelangt: die Überbewertung einzelner Anlageklassen und dem damit verbundenen Risiko, dass es zum Platzen von Spekulationsblasen kommen könnte.

Zunächst zum Immobiliensektor: Hier geht bekanntermaßen die Schere zwischen Kaufpreis und Mietrendite immer weiter auseinander. Soll heißen: Die Mieterhöhungen können mit den Immobilienpreisen kaum mithalten, um dem Käufer eine attraktive Rendite zu bescheren. Andererseits können sich immer weniger Bürger ein Eigenheim leisten. Die hohen Preise für Betongold lassen sich über die Niedrigzinsen sowie den Anlagenotstand erklären. 

Endloser Boom der Aktienmärkte?

Risikoarme Anleger haben es schwer an den Finanzmärkten. Sichere Rentenpapiere rentieren nicht mehr. Institutionelle Investoren berücksichtigen zunehmend vermeintlich sichere Dividendenpapiere. Nicht ohne Grund wird der Anlagenotstand seit Jahren für die hohen Aktienkurse gemacht. Letztlich setzt sich immer mehr das für eine Hausse übliche Narrativ durch, man müsse einfach immer investiert bleiben. Und tatsächlich hat sich der US-Leitindex S&P 500 seit März 2020 bereits verdoppelt. Das ist – innerhalb von 354 Handelstagen – ein Rekord.

Auch wenn immer wieder davon die Rede ist, dass wir uns auf volatilere Zeiten einrichten müssten: Ein Kursrückschlag von mehr als 5 % ist letztmals im Oktober 2020 verzeichnet worden. Rücksetzer werden im Zuge dieser liquiditätsgetriebenen Rally grundsätzlich als Kaufgelegenheiten wahrgenommen. Erleben wir gerade einen Overconfidence-Bias? Oder sind Aktien alternativlos angesichts des andauernden Niedrigzinsniveaus?

Overconfidence-Bias

Der Anleger verfällt einer Kontrollillusion, indem er glaubt, die Entwicklung an den Märkten mit Hilfe seines Wissens bestimmen zu können. Anders gesagt entsteht ein übertriebener Glaube an das eigene Urteilsvermögen. Dieser tritt besonders dann ein, wenn sich die Märkte eine lange Zeit den Erwartungen gemäß bewegt haben.

Tatsächlich hat die Börse in den letzten 1 ½ Jahren wieder an Popularität gewonnen. Richard Thaler, dem Wirtschaftsnobelpreisträger und Pionier der Behavioral Finance-Theorie, zufolge ist die Pandemie dafür zumindest zum Teil verantwortlich: Die „Ereignisarmut“, fehlende Sportereignissen, bei denen man mitfiebern und wetten konnte, haben im Zuge der Lockdown-Maßnahmen dazu geführt, dass immer mehr Privatanleger die Börse entdeckt haben. Richard spricht in dem Zusammenhang von der „Theorie der gelangweilten Märkte“. Den neuen Anlegern wurde es mit immer günstigeren und immer unkomplizierteren Tradingplattformen einfach gemacht. Dabei stehen Einzeltitel aufgrund des höheren „Unterhaltungswerts“ gegenüber Investmentfonds im Vordergrund.  

Für die Unternehmen könnte das Geld wieder teuer werden

Allerdings stellt sich inzwischen die Frage, ob die hoch bewerteten Unternehmen ihre Gewinnmargen noch ausweiten oder zumindest halten können. Dies erscheint fraglich angesichts der gestiegenen Rohstoffnotierungen, der höheren Produktionskosten und der angesprochenen Lohnerhöhungen. Darüber hinaus dürfte künftig mit weniger Stimulierungsmaßnahmen für die Wirtschaft zu rechnen sein. Im Gegenteil sorgt die von US-Finanzministerin Janet Yellen angeregte Mindestbesteuerung für Unternehmen der OECD-Mitgliedsländer für weiteren Margendruck.

Das Geld könnte für Unternehmen nicht nur aus steuerlicher Hinsicht wieder teurer werden. Diverse Notenbanken signalisieren bereits, erste Zinserhöhungen einleiten zu wollen. Von norwegischer, englischer und amerikanischer Seite heißt es, man plane erste Zinsschritte, bereite sich auf das Tapering vor und wolle zugleich die Anleihenkäufe zurückfahren. Als Startschuss wird vielfach das vierte Quartal angesehen. 

Die Banken: Von Haus aus (zweck)optimistisch 

Gründe genug, um zumindest ein wenig nachdenklich in die Zukunft der Finanzmärkte zu blicken. Insgesamt zeigen sich die Banken jedoch groß darin, mögliche Gefahren an den Finanzmärkten klein zu reden. Mögliche vom verunsicherten Kunden angesprochene Währungsreformen hält keine Bank für möglich. Immer wieder heißt es, Corona habe keine Finanz-, sondern eine Gesundheitskrise hervorgerufen. Weiter heißt es, viele leidende Betriebe aus der Gastronomie und dem stationären Einzelhandel seien nicht börsennotiert und deshalb für das Abschneiden der Aktienmärkte von untergeordneter Rolle. Die Großindustrie und der überwiegende Anteil der Wirtschaft sei von Covid und möglichen Unternehmensinsolvenzen kaum betroffen. 

Als ein weiteres Argument, welches gegen inflationäre Tendenzen spricht, führen einige Banken das nach wie vor stabile Lohnniveau an. Der Fachkräftemangel sei zwar nicht zu leugnen. Doch fallen auf der anderen Seite durch den Prozess der Digitalisierung sowie der zunehmenden Einführung von Künstlicher Intelligenz auch Arbeitsplätze weg. Dadurch dass der Computer im Verbund mit Künstlicher Intelligenz immer mehr Menschenarbeit übernimmt, werden die Preise von Massenwaren und Dienstleistungen tendenziell günstiger werden. 

Made in Europe: die Risiken

Wenn die Banken sich überhaupt bereit zeigen, auf Risiken hinzuweisen, so sind diese zumeist europäischer Provenienz. Letztlich sind die negativen Konsequenzen, die sich aus dem demographischen Wandel ergeben, nicht zu leugnen. Stichwort Innovationskraft: Kann die alternde europäische Gesellschaft noch mit den jungen aufstrebenden Märkten in Asien und Lateinamerika mithalten? Und wie können die steigenden Kosten für die Sozialsysteme noch finanziert werden, wenn immer weniger Erwerbstätige auf immer mehr Ruheständler fallen?

Und wenn von Kontinentaleuropa bzw. der EU die Rede ist, kann vom Reformstau nicht geschwiegen werden. Insbesondere die großen EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich und Italien leiden unter fehlenden Reformen. Hier gilt als oberstes Prinzip „Besitzstandwahrung“. Und wenn von länderspezifischen Risiken die Rede ist, so rückt sogleich das hoch verschuldete Italien in den Fokus. Tatsächlich haben einige Banken explizit italienische Staatsanleihen aus ihrem Anlageuniversum ausgeschlossen.  

„Schutzstrategien“ der Vermögensverwaltungen

Angesichts der zahlreichen Risiken stellt sich die Frage nach dem Vermögensschutz. Generell gilt: Agiere nicht gegen den Staat! Denn wer in der jetzigen Situation sein Sparguthaben erhöht, während der Staat sich immer stärker verschuldet, handelt im Staats-, nicht aber im Eigeninteresse. Die Verlierer der jetzigen Situation sind Gläubiger und die Besitzer von Sparguthaben. Börsenguru André Kostolany bringt es auf den Punkt: „Die Inflation ist die Hölle der Gläubiger und das Paradies der Schuldner.“ Es profitieren hingegen jene, die es sich leisten können, sich wie der Staat zu verhalten, also Schulden zu machen und Kredite aufzunehmen. Und dies sind in erster Linie Immobilienbesitzer. 

Vom Brandschutz lernen

So weit, so gut. Doch wie verhält es sich bei der Absicherung von Wertpapierdepots? Von der Brandbekämpfung wissen wir, welche Gefahren von einem kleinen Funken ausgehen bzw. wie schnell aus einer achtlos weggeworfenen Kippe ein Waldbrand entstehen kann. Und wenn der erste Busch erst brennt, kann sich bei Trockenheit das Feuer schnell auf Gras, Unterholz und Bäume ausbreiten, so dass ein Flächenbrand entsteht. Hat der Flächenbrand erst ein gewisses Stadium überschritten, so reichen selbst Löschflugzeuge zur Bekämpfung nicht mehr aus. Stattdessen müssen Schneisen in den Wald geschlagen oder kontrollierte Gegenfeuer gelegt werden, um das Feuer umzulenken. Anders gesagt: Wichtig ist der vorbeugende Brandschutz. Doch was heißt dies übertragen auf Anlagestrategien? Welcher Machart müssen die Brandmauern sein, um ein Depot im Ernstfall abzusichern?

Brandschutz vs. Vermögensschutz

Wie muss ein Depot aussehen, welches eine sich rasant verändernde Welt mit allen Unsicherheiten widerspiegelt? Welche Anlageklassen sollten bevorzugt, welche gemieden werden? Und wie soll in den Markt investiert werden? Welche Rolle spielt das richtige Timing? Tatsächlich haben die Finanzinstitute unterschiedliche „brandschutztechnische Lösungen“ bzw. Vermögensstrategien parat:

Die Bauweise muss stimmen

Der häusliche Brandschutz fängt mit der Bauweise, dem Aufbau und der Unterteilung der Gebäude sowie der Berücksichtigung von Brandwänden an. Anders gesagt: Es soll das Übergreifen von Feuer und Rauch von einem Gebäude oder Gebäudeteil zu einem anderen verhindert werden. Nicht anders verhält es sich bei der Aufteilung eines Depots. Diversifizieren lautet das Motto (nicht erst dieser Stunde). Es geht darum, das Vermögen auf Anlagen und Anlageklassen zu verteilen, die „räumlich“ voneinander getrennt sind, also im Falle eines Crashs nicht alle gleichermaßen davon betroffen sind. 

Die Apologeten der Portfoliotheorie bilden eindeutig die Mehrzahl unter den Risikomanagern. Sie setzen auf Risikodiversifizierung und versuchen dem Kunden klar zu machen, dass das Thema Timing überschätzt sei und dass man dem unvorhersehbaren „Schwarzen Schwan“ nur mit einer stabilen Depotstruktur begegnen könne. Folgt der Kunde ihnen, so kommt es vor allem auf die Korrelation, also die Abhängigkeit bzw. die zu erzielende Unabhängigkeit der Anlageklassen untereinander an. Zu diesen Vertretern zählen u. a. die Globalance Bank und das Traditionshaus Berenberg Bank. In beiden Häusern spielt neben Aktien und Anleihen der Bereich der alternativen Investments, Private Equity und Rohstoffe eine große Rolle. Ziel ist es, das Risiko auf möglichst viele Töpfe zu verteilen. 

Auf das Brandverhalten und den Feuerwiderstand kommt es an

Jeder Häuslebauer weiß: Neben der Bauweise kommt es auf die Auswahl der Baustoffe an. Und dies nicht nur in Hinblick auf die Robustheit des Baus, sondern auch in Bezug auf einen möglichen Brandschutz. Was heißt dies übertragen auf die oben angesprochenen Inflationsgefahren? Generell, so betonen die Banken gern, stellen Aktien bis zu einer Inflationshöhe von 4-5 % eine Art Schutz gegen die Geldentwertung dar. Neben Aktien sind Sachwerte angesagt. Die Rede ist von alternativen Investments wie Rohstoffe, Edelmetalle und Private Equity. Im Rentenbereich hingegen sind inflationsgeschützte Anleihen angesagt. 

Mit anderen Worten: Neben der Depotzusammensetzung ist die Auswahl der Anlageinstrumente entscheidend. Value-Investoren wie die Investmentlegende Warren Buffett verstehen sich als Stockpicker und sind davon überzeugt: Risiko- habe vor Performance-Management zu stehen. Dabei gehen sie in ihren Anlageentscheidungen eher betriebs- als volkswirtschaftlich vor. Das makroökonomische Umfeld spielt bei ihren Anlageentscheidungen eine geringere Rolle als die Frage nach der Bewertung des jeweiligen Unternehmens, seinem Alleinstellungsmerkmal gegenüber seinen Mitbewerbern sowie der Ertragskontinuität im Sinne regelmäßiger Dividendenausschüttungen. Die Walser Privatbank bringt dies mit ihrem Motto „Investiert sein und bleiben“ auf den Punkt.

Wenn ein Löschangriff nichts mehr bringt

Wenn sich das Feuer auf einen Weg oder ein Gewässer zubewegt und wenn ein koordinierter und schlagkräftiger Löschangriff vorerst nicht mehr möglich ist, so kann es ggf. besser sein, das Feuer in die Bereiche laufen zu lassen und zugleich die Windrichtung zu überwachen. Kommt es zu Brandinseln, so müssen dies abgelöscht werden. Ansonsten ist ein Eingreifen sinnlos. Dies kann auch der Fall sein bei einem Blitz-Crash, wie wir ihn im Rahmen von Corona im März 2020 erlebt haben. Die Gefahr ist da möglicherweise größer, prozyklisch zu verfahren, also auf einem niedrigen Niveau Verkäufe vorzunehmen und zu spät wieder einzusteigen. 

Wer auf Qualität setzt, kann es sich erlauben, im Sinne einer Buy-and-Hold-Strategie, schwierige Börsenphasen auszusitzen. Nicht ohne Grund sprechen Value-Investoren übrigens gern von dem sog. Burggraben, der am besten so tief und weit sein sollte, dass eine Brandausbreitung verhindert wird und die jeweiligen Unternehmen von einer Wirtschaftskrise unbeschadet davonkommen. 

Notfallpläne und Fluchtwegplanung

Gelassenheit ist im Ernstfall sicherlich von Vorteil. Doch setzt diese ein systematisches Krisenmanagement voraus. Dies fängt damit an, dass von der Brandentdeckung, also der Feststellung und Meldung, dass ein Brand ausgebrochen ist bis hin zur Entscheidung, wie darauf zu reagieren ist, nicht zu viel Zeit vergehen darf. Es setzt sich fort mit den Rettungs- und Brandbekämpfungsmaßnahmen sowie der Fluchtwegplanung, also der Frage, welche Verlustschwellen nicht überschritten werden dürfen, wann vorher festgelegte Verkäufe erfolgen müssen.   

In diesem Sinne betonen bestimmte Häuser die Agilität ihres Vermögensmanagements. Das Bankhaus Carl Spängler führt anhand einer Grafik plastisch vor Augen, wie sehr der Aktienbestand im Zuge des Coronacrashs deutlich reduziert und später wieder hochgefahren wurde. Diese Timing-Strategien beinhalten freilich die oben genannten prozyklischen Risiken. Innerhalb von nur 28 Tagen büßte der Dax während des Corona-Crash fast 40 % ein. Und ebenso rasant ging es wieder bergauf: Bereits Ende Mai war ein Großteil der Verluste wieder wett gemacht bis der Dax das Börsenjahr 2020 schließlich im Plus beendete. Eben weil es im Rahmen kurzfristiger Höhen und Tiefen an den Börsen immer mehr auf Geschwindigkeit ankommt, greifen bestimmte Häuser auf Absicherungsstrategien zurück. Mit Hilfe von Futures gehen sie Wetten auf fallende und steigende Kurse ein, ohne die großen Aktienpakete tatsächlich kaufen oder verkaufen zu müssen. Keine Frage: Bei solch einer Strategie gewinnen das richtige Timing und eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit sehr an Bedeutung. 

Bereits erfolgreich Brände bewältigt

Wohlgemerkt: Es gibt nicht nur die eine erfolgreiche Anlagestrategie. Nichts von alledem ist verkehrt. Entscheidend ist nur, wie konsequent und wie erfolgreich die Strategien – langfristig – sind. Es wirkt vertrauenerweckend, wenn ein Bankhaus für eine bestimmte Anlagestrategie steht, diese zwar durchaus beständig optimiert, sie aber nicht grundsätzlich in Frage stellt und so über einen dezidierten Investmentprozess identifizierbar bleibt. Wer seiner Anlagestrategie treu bleibt, sollte über eine entsprechende und idealerweise vertrauenserweckende Leistungsbilanz verfügen. Der Kunde möchte wissen: Wie ist das Bankhaus in der Vergangenheit mit aufkeimenden Bränden, mit Blitzeinschlägen und mit Flächenbränden umgegangen?

Aufklärerische Wirkung von Risikokennziffern 

Letztlich kann ein Blick in die Vergangenheit zur Klarheit beitragen und diffuse Verlustängste aus dem Weg räumen: Häufig haben unsere Kunden anhand von historischen Stresstests erfahren dürfen, wie sich ihre potentiellen Depots in Krisensituationen verhalten hätten. Besonders aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Risikokennziffern im Rahmen des Coronacrashs, der Finanzkrise sowie dem Salami-Crash im Jahr 2000. Anhand realer Szenarien wird so deutlich, welche Verlusthöhen ein Kunde zwischenzeitlich hätte verkraften müssen. Und nicht nur das: In der Regel erfährt er auch, wie lange verlustreiche Durststrecken ggf. gedauert hätten, wie lange sein Atem hätte reichen müssen bis sein Depot die Verluste wieder aufgeholt und sich wieder ins Plus bewegt hätte. 

Vorbildlich in dieser Hinsicht ist etwa die Liechtensteinische Landesbank, deren historischer Stresstest bis ins Jahr 1997 zurückreicht. Diesen Stresstest erhebt die Landesbank – ebenso wie die Deutsche Oppenheim – auch für die Zukunft. Auch prospektiv hat man maximale Verlusthöhen errechnet. Dies ist zwar kein Garant dafür, wie sich die Märkte tatsächlich entwickeln. Doch bekommt der Kunde über diese Stresstests auf jeden Fall ein Gefühl dafür, mit was für konkreten Verlusten schlimmstenfalls zu rechnen ist – und dies prozentual und in absoluten Zahlen. Gerade für den verunsicherten Kunden ist  dies eine vertrauensbildende, da anschauliche Maßnahme.

Den Brandschutzbeauftragten an der Seite

A propos Vertrauen: Im hohen Maße vertrauenerweckend ist die Einbindung eines Experten, jemand, der eine Autorität auf seinem Gebiet darstellt: der Brandschutzbeauftragte bzw. der Volkswirt und Risikomanager. Dies haben einige Banken berücksichtigt und den Chefökonomen ins Gespräch miteingebunden. Dieser konnte in der Regel besser, da vermeintlich objektiver mit Hilfe zahlreicher Daten ein Bild von der wirtschaftlichen Situation vermitteln. Und vor allem blieb er keine Antwort schuldig und konnte tiefer auf die Konjunktursorgen des Kunden eingehen. Grundsätzlich bleibt jedoch festzuhalten, dass nur die wenigsten Banken volkswirtschaftliche Expertise herausgestellt haben. Die meisten haben sich in ihren Konjunkturprognosen sehr kurzfristig orientiert. Langfristige Szenarien waren Fehlanzeige. 

Brandflucht

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, künftigen Flächenbränden zu entgehen: die „Brandflucht“. Wenn man weiß, dass man in einem stark gefährdeten Gebiet wohnt und lebt, kann man überlegen, den Wohnort zu wechseln. Auf das Vermögen übertragen heißt das: Wenn man Zweifel an der dauerhaften Stabilität des eigenen Währungsraumes hat, sollte man auch hier in andere Währungsräume diversifizieren. Konkret: Wer an der Dauerhaftigkeit des Euro zweifelt, der wird hohe Anteile seines Vermögens international streuen: in US-Dollar, Schweizer Franken, Australische und kanadische Dollar, Britisches Pfund, ein wenig Yen, in die skandinavischen Währungen und ggf. noch breiter.

In letzter Konsequenz wird er nicht nur mit dem Vermögen, sondern auch physisch den Standort wechseln und sich eine andere Jurisdiktion suchen, um dem möglichen staatlichen Zugriff aufs Vermögen auszuweichen. Wenn nämlich die Feuerwehr (der Staat) keine Rücksicht mehr nimmt auf das eigene Hab und Gut und die Brandbekämpfung über alles stellt. Aber das ist natürlich ein sehr, sehr weitreichender Schritt, der lange Vorbereitungszeit und gute Überlegung sowie ausführliche (und nicht ganz billige) Beratung benötigt. Aber in dieser Hinsicht haben die Kunden erst gar keine Anstöße erhalten.

Fantasielosigkeit: Schwarze Schwäne gibt es nicht

Geldentwertung, hohe Schuldenberge, Handelskriege, demographisch leidende Sozialsysteme! Die Liste möglicher Risiken für die Wirtschaft und für das eigene Vermögen ist lang. Allerdings, so betont Nassim Taleb in seinem Buch Der Schwarze Schwan, dürfte es sich bei den erwähnten Risiken keineswegs um „Schwarze Schwäne“ handeln, eher schon um graue, wenn nicht gar zum Teil um weiße Schwäne. Schließlich sind die Risiken ja hinlänglich bekannt.

Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse (2007): Bestseller des ehemaligen Optionshändler und Derivatespezialisten, Wissenschaftler und Epistemologen des Zufalls Nassim Nicholas Taleb. Wie im Titel bereits angedeutet, geht es in dem Buch um die extremen Auswirkungen höchst unvorhersehbarer Ereignisse – sog. Schwarzen Schwänen. Taleb betrachtet Banken und Aktienhändler als besonders anfällig gegenüber Schwarzen Schwänen. Schließlich seien die meisten Finanzakteure davon überzeugt, dass es nur weiße Schwäne gebe. Sie ignorieren die Schwarzen Schwäne, weil es angenehmer sei, die Welt als geordnet und kalkulierbar zu betrachten. Schwarze Schwäne, deren Auftreten zu einem gewissen Grad zu erwarten ist, die aber eben nicht wirklich berechenbar sind (wie Erdbeben oder Börsencrashs) bezeichnet er als Graue Schwäne.  

Was soll das heißen? Schwarze Schwäne werden zumeist wegen ihrer äußerst geringen Eintrittswahrscheinlichkeit bei Marktausblicken und Börsenprognosen nicht erkannt. Es handelt sich um zufällige und unerwartete Ereignisse, die die Menschen dazu zwingen, umzudenken und ihre Sicht der Dinge zu ändern. Als schwarze Schwäne gelten beispielsweise die Terroranschläge am 11. September 2001, die Lehman-Pleite und der Ausbruch der Finanzkrise 2007 sowie die Nuklearkatastrophe von Fukushima. 

„Die Dinge, über die die Leute sich gewöhnlich Sorgen machen, beunruhigen mich aufgrund ihrer Offensichtlichkeit weniger als die, die außerhalb unseres Bewusstseins und des allgemeinen Gesprächs liegen.“ (Nassim Taleb)


Meisterschaft im Übersehen Schwarzer Schwäne

Schwarze Schwäne haben ein hohes Krisenpotential – egal ob auf politischer, ökonomischer oder ökologischer Ebene. Als Gewohnheitstiere gehen wir Menschen davon aus, dass die Dinge, die bisher immer funktioniert haben, auch weiterhin funktionieren werden und rechnen nicht mit Unfällen. Wie sorgenfrei wir unterwegs sind, veranschaulicht Taleb am Beispiel eines Truthahns. Dieser wird sein Leben lang von einer Hand gefüttert und umsorgt. Bis zuletzt muss er sich keine Sorgen machen...bis das Erntedankfest vor der Tür steht und ihm der Hals umgedreht wird. 

Taleb macht darauf aufmerksam, dass wir dazu neigen, die Schwarzen Schwäne in unserem Denken auszublenden. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. In dieser Hinsicht sind sich alle Banken einig. Mit Hilfe statistischer Modelle haben die Ökonomen eine große Meisterschaft darin erlangt, Schwarze Schwäne zu übersehen und überrascht zu reagieren, wenn das unerwartete Ereignis eintritt: „Misstrauen Sie Dogmen und versuchen Sie, außerhalb der gängigen Konzepte zu denken.“ Nur wenn wir es vermeiden, ausgetretenen Pfaden zu folgen, können wir es schließlich verhindern, selbst zu einem Truthahn zu werden. 

 „Der „vielversprechende“ Aktienmarkt, insbesondere die „sicheren“ Blue Chips, beunruhigt mich viel mehr als spekulative Wagnisse – Ersterer bringt unsichtbare Risiken mit sich, Letztere halten keine Überraschungen bereit, da man weiß, wie riskant sie sind, und die möglichen Verluste begrenzen kann, indem man kleinere Beträge investiert.“ (Nassim Taleb)

Corona ist kein Schwarzer Schwan

Übrigens sieht Taleb in Corona keinen Schwarzen Schwan. Tatsächlich war die Pandemie nach SARS, Ebola und verschiedenen Grippewellen vorhersehbar. Für ihn handelte es sich um eine Ereignis, das mit Sicherheit irgendwann eintreffen würde. Nicht ohne Grund hatte er schon 2010 die Regierung von Singapur beraten, sich mit Hilfe eines detaillierten Plans auf eine globale Pandemie vorzubereiten. So konnte der Stadtstaat die Pandemie frühzeitig eindämmen, Gegenmaßnahmen ergreifen, um schließlich vergleichsweise gut durch die Krise zu kommen. Ein Schwarzer Schwan büßt sein düsteres Federgewand ein, verliert seinen Schrecken, sobald man ihn sichtet und ihn in die eigenen Überlegungen miteinbezieht. 

Damit stellt sich schließlich die Frage, mit welchen Schwarzen oder auch nur Grauen Schwänen die Finanzmärkte in den nächsten Jahren zu rechnen haben. Wir haben etliche Risiken im Rahmen des demographischen Wandels, der Verschuldungssituation, den Inflationsrisiken und den hoch bewerteten Aktienmärkten aufgezählt. Diese Risiken stellen in keiner Weise einen Anspruch auf Vollständigkeit dar. Das Wesen des Schwarzen Schwans ist sein unerwartetes Auftauchen. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? 

Mit dem Schlimmsten rechnen lernen

Im Gegenteil werden wir sicherlich im Rahmen des Klimawandels gravierende Folgen für die Wirtschaft erleben. Die geopolitische Lage ist alles andere als stabil. Angesichts wirtschaftspolitischer Unsicherheiten in vielen Teilen der Welt, Migrationsströmen, bürgerkriegsähnlichen Zuständen bedarf es keiner großen Fantasie, um sich auszumalen, welche Gefahren uns umgeben. Taleb zufolge geht es darum, mit dem Schlimmsten zu rechnen – etwas, worin sich die Banken etwas fantasie- oder sorglos zeigen. Denken wir nur an die Lehman-Pleite zurück und welchen Flächenbrand diese an den Finanzmärkten auslöste. 

Fazit: Risiken gibt es reichlich. Doch werden diese von den Banken eher klein geredet. Wenn es darum geht, sich mit nahe- und fernliegenden Risiken zu beschäftigen, zeigen die Vermögensverwaltungen wenig Fantasie. Gleichwohl gibt es Strategien, die dabei helfen, über Krisen zu kommen, also Banken mit einem überzeugenden Risikomanagement. Einen Alarmplan hat offenbar keine Bank. Dabei könnte der nächste Schwarze Schwan bereits im Anflug sein.
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Die BiB ist kein Zug, auf den die Stiftung aufspringen will

Thumb Stiftungvermögen 2024. © Collage: Verlag FUCHSBRIEFE, Bild: envato elements
Die Bank im Bistum Essen (BiB) begrüßt die Stiftung Fliege, die ihre drei Millionen Euro Kapital neu anlegen will, mit einem überaus empathischen Schreiben. Sie bittet ausführlich um Entschuldigung, weil sie durch Krankheit bedingt nicht in der Lage gewesen sei, den erbetenen Anlagevorschlag fristgerecht einzureichen. Man fühlt sich ein wenig wie unter Freunden und möchte gern einen Sympathiebonus vergeben. Ob das nach Studium des Anlagevorschlags auch noch so ist, wird sich zeigen.
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