Viel Information, wenig Individualität
Die Kontaktaufnahme mit der Commerzbank verläuft etwas holperig. Ein Berater bittet um Rückruf oder um eine Telefonnummer, unter der er sich melden kann. Nachdem die Stiftung auf ihren Prozess der Vorauswahl auf schriftlichem Weg verwiesen hat, übersendet der Berater einiges an Material: “Anbei ein Auszug aus den Anlagemöglichkeiten die unser Haus für Stiftungen bereit hält.” Um einen individuellen Vorschlag handelt es sich dabei nicht.
Danach nimmt ein anderer Berater Kontakt auf und entschuldigt sich für die späte Rückmeldung – seit der ersten Anfrage sind drei Wochen vergangen. Urlaubszeiten und Personalengpässe hätten die Verzögerung bedingt. Die Mail ist detaillierter als die vorehrgehenden, doch auch dieser Berater bittet um ein Telefongespräch, da man im ersten und zweiten Schritt die Situation der Stiftung kennenlernen und deren Risikoneigung ermitteln möchte, um dann – im dritten Schritt – ein Angebot zu erstellen. Letzten Endes akzeptiert er unsere Vorgabe aber und übermittelt einen individuellen Anlagevorschlag für die Weiss-Jänicke-Stiftung.
Unspezifische Gliederung
Auf 47 Seiten möchte die Bank laut Agenda ihre StiftungsVermögensverwaltung, ihre Musterallokationen und ihr Stiftungsmanagement vorstellen. Das klingt zunächst wenig strukturiert – und wenig individuell. Von einem Überblick über die Ausgangssituation und die Anlageziele der Stiftung ist weit und breit nichts zu sehen. Schnell bestätigen sich die Befürchtungen des Lesers.
Der gesamte erste Teil, betitelt “Die StiftungsVermögensverwaltung” besteht aus langatmigen allgemeinen Ausführungen und Darstellungen. Stiftungsspezifische Anforderungen an die Kapitalanlage, Bausteine der Commerzbank-Vermögensverwaltung, empfohlene Anlageklassen, Informationen zum Investmentprozess, Gründe für die Investition in Sachwerte – alles ohne erkennbare Struktur oder Reihenfolge. Das alles kann man getrost überblättern. Erst an einer Überblicksdarstellung über die Commerzbank-Stiftungsportfolios bleibt der Blick etwas länger hängen.
Drei Stiftungsportfolios, gestaffelt nach Aktienanteil
Es handelt sich um drei verschiedene Stiftungsportfolios, benannt jeweils StiftungsPortfolio15 bzw. -25 und -35. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des maximalen und durchschnittlichen Aktienanteils und damit ihrer Rendite- und Risikoprofile. Die maximale Aktienquote liegt für die drei Varianten jeweils bei 25, 35 und 50%, die durchschnittliche Aktienquote beträgt 15 bzw. 25 und 35% – sie war also offensichtlich namensgebend.
Auf den folgenden Seiten ist für diese Portfolios die Aufteilung nach Aktien, Anleihen und Immobilien (grafische Darstellung von Rendite und Risiko) sowie so genannte Rückrechnungen mit und ohne Immobilienanteil für verschiedene Jahre in Tabellenform dargestellt. Das ist alles recht unübersichtlich und mühselig zu lesen und überlässt es zudem dem Leser herauszufinden, ob und wie eines der Modelle (und wenn ja in welcher Ausgestaltung) zum eigenen Anlageprofil passen könnte. Gut aufbereitet geht anders.
Risikokennzahlen und Stresstest
Der Kunde muss sich noch durch eine an dieser Stelle ebenfalls recht willkürlich platziert wirkende Seite zum Risikomanagement bei veränderten Marktbedingungen lesen (oder diese überblättern), bevor endlich eine informative und schnell zu erfassende Übersicht die Rendite- und Risikokennzahlen der Portfolios aufzeigt. Für alle drei sind jeweils Volatilität, Value at Risk (95%, 1 Jahr sowie 99%, 1 Jahr) und Maximum Drawdown angegeben. Das ist gut verständlich, aber nach wie vor ist nicht zu erkennen, ob diese Portfolios den Stiftungs-Kriterien “Ausschüttung” und “Nachhaltigkeit” gerecht werden oder welches davon die Bank warum der Weiss-Jänicke Stiftung vorschlägt (falls sie eines vorschlägt).
Daran schließen sich direkt Szenarioanalysen und Stresstests an. Das ist stimmig, schließlich dienen Stresstests dazu, ein Gefühl für das tatsächliche Risiko eines Portfolios zu bekommen. Grafisch ist die Seite genau so als Gegenüberstellung aufbereitet wie die Kennzahlen-Seite. Hier wären Unterwasserkurven sinnvoll, und ganz besonders auch die absoluten Zahlen bezogen auf das Anlagevermögen. Dazu hätte man allerdings erst einmal herleiten müssen, in welches Modell die Stiftung ihr Geld investieren soll...
Kostenmodelle ohne konkrete Zahlen
Es geht weiter mit Informationen zum Reporting. An dieser Stelle ist man geneigt, die Suche nach einer irgendwie logischen Gliederung aufzugeben.
Nach einer Sammlung von Auszeichnungen und Gütesiegeln erläutert die Bank ihre Vergütungsmodelle. Der Kunde hat die Wahl zwischen einer All in-fee und einem transaktionsbasierten Entgeltmodell. Die Höhe bzw. Ausgestaltung beider Varianten ist Gegenstand einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Kunden.
Doch noch eine Empfehlung, aber ohne Begründung
Der nächste Abschnitt weckt Hoffnungen auf Konkreteres, denn er trägt den Titel “Ihr Musterportfolio – Stiftungsportfolio 35”. Nach über der Hälfte der Gesamtseiten lüftet die Bank also den Schleier und lässt den Kunden wissen, wo sie ihn mit seinem Anlagewunsch einordnet. Bei einem kurzen Zurückblättern lässt sich noch einmal rekapitulieren: Die durchschnittliche Aktienquote beträgt für dieses Modell 35%, die maximale 50%. Der maximale Wertverlust liegt bei -13,9%, den höchsten Verlust hätte das Portfolio laut Stresstest mit -8,1% in der Subprimekrise eingefahren. Eine Renditeerwartung fehlt – und das trotz der Überschrift “Rendite- und Risikokennzahlen”.
Die strategische Allokation zeigt 46,5% Renten, 40,5% Aktien, 10,6% Immobilien und 2,1% Liquidität. Außerdem liefert die Commerzbank eine Währungs- und eine Branchenallokation.
Grafische Darstellung der taktischen Allokation
Es folgen ein paar Seiten mit Beispielstrukturen. Die erste zeigt den Aktienanteil als Kreisdiagramm, aus dem folgende Allokation hervorgeht: 52,6% Europa, 31,2% USA, 6,0% Schwellenländer, 7,6% Japan (Angabe in Prozent des Aktienanteils). Die Auflistung der Einzeltitel deutet nicht auf den Einsatz von Nachhaltigkeitsfiltern hin. Die Regionen Japan und Emerging Markets sind ausschließlich über ETF abgebildet. Bei den Europa-Aktien sind zwei Indexfonds und zwanzig Einzeltitel aufgelistet, bei den US-Titeln ein ETF und zehn Einzelpapiere. Die Diversifizierung dürfte damit ordentlich sein.
Auch für die Anleiheseite gibt es ein Kreisdiagramm. Es zeigt 63,8% Staatsanleihen bzw. Pfandbriefe (Europa) und 36,2% Unternehmensanleihen (ebenfalls Europa). Beide Segmente enthalten jeweils zwei ETF. Bei den Staatsanleihen gesellen sich dazu zehn Einzel-Bonds, bei den Corporate Bonds sind es sieben Einzeltitel.
Noch mehr Allgemeines
Der dritte Präsentationsteil – Vermögensanlage für Stiftungen – besteht wieder aus sehr allgemeinen Informationen zu Anlagelösungen im Niedrigzinsumfeld, hochwertigen Anleihen als Fundament entsprechender Portfolios, Investmentansatz, der Vorstellung des Fondsmanagementteams im Stiftungsbereich und Datenblättern zum Commerzbank Stiftungsportfolio A.
Genau wie im ersten Teil ist auch hier keine logische Struktur zu entdecken, von einer Anbindung an Kundensituation und -ziele bzw. gar darüber hinsausgehenden Handlungsempfehlungen zur Anpassung der Anlagerichtlinien fehlt jede Spur, ebenso von Nachhaltigkeitsbeispielen, einer Kostenaufstellung und Informationen zu der Frage, ob das Ziel einer mindestens einmal jährlich erfolgenden Ausschüttung erreicht werden kann.
Hinweis: Für den Beauty Contest hat sich die Commerzbank nicht qualifiziert.
2021 (TOPs 2021)
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Beratungsgespräch | Big is beautiful? | im Shop |
2020 (TOPs 2020) | Vermögensstrategie | Exklusivität versprochen, Massenware geliefert | im Shop |
2019 (TOPs 2020) | Qualifikation | Rundum gut beraten | im Shop |
2018 (TOPs 2019) | Qualifikation | Lange Rede kurzer Sinn | im Shop |
2017 (TOPs 2018) | Qualifikation | Commerzbank: „Da passen Sie am besten rein" | im Shop |
2016 (TOPs 2017) | Qualifikation | Aller Ehren werte Beratung | im Shop |
2016 (TOPs 2017) | Qualifikation | Commerzbank - PWM: Von wegen exklusiv | im Shop |
2021 | Qualifikation | Zu viele offene Fragen | im Shop |
2020 | Qualifikation | Viel Information, wenig Individualität | im Shop |
2018 | Qualifikation | Die Dinobank im Test | im Shop |
2016 | Qualifikation | Commerzbank sticht nur beim Preis positiv heraus | im Shop |
2017 | Compliance | Commerzbank: Compliance-Transparenz klein geschrieben | im Shop |
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Die Commerzbank liefert einen ohne roten Faden zwischen den Themen mäandernden Anlagevorschlag, an dem außer dem Titel nichts individuell und alles Standard ist. Immerhin, der Vermögenserhalt mag möglich sein – ob nominal oder real ist ohne Kenntnis der erwarteten Rendite und der Kosten nicht abschließend zu beurteilen. Gut möglich, dass das vorgeschlagene Portfolio geeignet ist. Leider verschenkt die Bank alle Chancen, das plausibel zu machen, und bleibt im Marktvergleich unterdurchschnittlich.
Empfehlung: Die Commerzbank liefert im Markttest viele Informationen, aber wenig Individualität und qualifiziert sich damit nicht für den Beauty Contest.