Schreckmoment in der Sommerpause
Die Aktienmärkte erleben einen Schreckmoment in der Sommerpause. Die verheerend schlechten Zahlen zum deutschen BIP haben dem DAX einen ordentlichen Dämpfer verpasst. Die Rally muss sich nun beweisen.
Das ist sie, die Hiobsbotschaft für die Märkte. Das deutsche BIP ist im zweiten Quartal um über 10% eingebrochen. Das ist der stärkste Rückgang der quartalsweisen BIP-Messungen seit 1970. Parallel dazu stieg die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf 2,9 Mio. Menschen, wobei die Zahl der Kurzarbeiter von 6,1 auf 6,7 Millionen Personen gestiegen ist. Eigentlich war das zu erwarten. Die harten Zahlen schwarz auf weiß erschreckt die Börsen dann aber doch. Der DAX hat heute prompt einen spürbaren Rücksetzer gemacht. Nun muss sich erneut zeigen, ob die starke Kursentwicklung seit dem Corona-Tief tragfähig ist.
Für das Zaudern der Märkte gibt es gute Gründe. Rund um den Globus rollt die zweite Corona-Welle. In den USA steigen die Infektionszahlen kontinuierlich an. Auch in etlichen anderen Ländern klettert die Zahl der Corona-Infizierten weiter in die Höhe. Das untermauert unsere Einschätzung, dass die Wirtschaft das Virus nicht so schnell los wird und die gebremste Dynamik noch geraume Zeit bestehen bleiben dürfte.
Keine V-Erholung
Das Risiko weiterer Lock-down-Maßnahmen steigt damit wieder. Damit wächst die Gefahr von Unternehmenspleiten. In den USA ist die Verlängerung des Konjunkturpakets (Kurzarbeitergeld) noch nicht beschlossen. Voraussichtlich werden dort zum Jahresende gut 10 Mio. Amerikaner weniger arbeiten also noch zu Jahresbeginn. Das prognostiziert Casey Mulligan von der Universität Chicago.
Die V-förmige Erholung der Konjunktur kann nach diesen Zahlen getrost zu den Akten gelegt werden. Daher gehen wir davon aus, dass die Börse ihre V-Erholung nun abbricht und sich der Realwirtschaft wieder angleicht (FK vom 9.7.). Wir sehen hier schon länger Anzeichen einer Milchmädchen-Hausse. Sie wissen: Die Profis stehen vielfach noch an der Seitenlinie. Dafür sind die Privaten in den Markt geströmt.
Flucht in Sicherheit
Besonders aggressiv sind viele Privatanleger in den USA neu an den Markt gekommen. Die Zahl der Depoteröffnungen liegt auf Rekordhoch. Einige Broker bieten inzwischen sogar an, Teile von Aktien zu kaufen, also z. B. ein viertel einer Aktie. Was daraus folgt, lässt sich gut am Beispiel von Kodak nachvollziehen. Der Titel wurde von 2 auf 50 Dollar hochgejazzt. Ein großer Anteil aller Investoren in dieser Aktie kommt von einem einzigen Online-Broker. Dem Vernehmen nach steigt das Aktienfieber in den USA auch deshalb stark an, weil Sportwetten derzeit nicht angeboten werden. Wenn hunderttausende Amerikaner statt auf die Dallas Mavericks lieber auf Aktien wetten, dann kann das den Markt schon bewegen.
Insgesamt schalten die Investoren auf Sicherheit um. Das zeigt sich beim Blick auf diverse Anlageklassen. Der Euro, Gold, Silber und Bitcoin steigen. Aktien stehen dagegen unter Druck. Der Dollar fällt auch gegen andere Währungen zurück. Der Ölpreis kommt nicht vom Fleck. Die Anleiherenditen steigen ebenfalls nicht an, sondern werden von den Notenbanken über immer mehr Laufzeiten künstlich am Boden gehalten. All das spricht nicht für eine starke Konjunkturerholung.
Amerikaner fliehen in "Holz-Gold"
Selbst die Meldung zu den starken US-Hausverkäufen - eigentlich ein positiver Indikator - kann als Warnung gelesen werden. Vielleicht flüchten inzwischen auch die Amerikaner in "Betongold", wobei angesichts der US-Bauweise wohl eher von "Holz-Gold" die Rede sein müsste. Im Kern dürfte aber ein großer Teil diese Immobilieninvestments eine Flucht in Sicherheit und eine Spekulation auf steigende Immobilienpreise sein. Nachvollziehbar wäre es: Immerhin steigt in den USA die Geldmenge M2 inzwischen mit 25% pro Jahr - so schnell wie seit 1945 nicht.
Fazit: Die Aktienbörsen erleben einen Schreckmoment. Hoffnungen und Realität werden abgeglichen. Der DAX kann problemlos bis 12.000 Puntke fallen. Dort verläuft der langfristige Aufwärtstrend. Fällt der Index darunter, wird es nochmal kräftig abwärts gehen. Weiter Abwarten.