Netze bersten, Kosten explodieren
Der Widerstand gegen die dringend benötigten Stromautobahnen erweist sich zunehmend als Bärendienst. Allein die Verzögerungen kosten Milliarden pro Jahr.
Die Verzögerungen im Netzausbau treiben die laufenden Energiekosten kräftig nach oben. Solange die dringend benötigten Leitungen vom windigen Norden in den energiehungrigen Süden nicht stehen, werden die bisherigen Netze nicht nur fehleranfälliger und immer schwerer zu handeln. Auch die Kosten für die kurzfristige Änderung des Kraftwerkseinsatzes (Redispatch) auf Geheiß der Übertragungsnetzbetreiber, mit der Netzengpässe vermieden werden sollen, explodieren: von 115 Mio. Euro im Jahr 2013 und 220 Mio. Euro im vergangenen Jahr auf jetzt geschätzte 500 Mio. Euro. In den nächsten Jahren werden allein diese Energiewende-Kosten auf über 1 Mrd. Euro jährlich steigen. Die Verbraucher sorgen inzwischen selbst mit für den Kostenanstieg. Denn jeder Einspruch beim Trassenbau führt zu Verzögerungen. Wegen des jüngst beschlossenen Vorrangs für Erdkabel – die nebenbei sechsmal so teuer sind wie Überlandleitungen – stehen die Planungen vielfach wieder am Anfang. Allein für den Süd-Link rechnet der zuständige Übertragungsnetzbetreiber Tennet mit einer Verzögerung von drei Jahren. Die Leitung würde damit also erst in zehn Jahren stehen. Folge: Die Situation für die Übertragungsnetzbetreiber verschärft sich immer weiter. Problematisch wird es, wenn Erzeugungsspitzen im Norden und Verbrauchsspitzen im Süden zusammentreffen. Um die Netze zu entlasten, drosseln die Übertragungsnetzbetreiber die Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke im Norden und fahren die Strommengen im Süden hoch. Die Kosten für diese sogenannten Redispatch-Maßnahmen landen über die Netzentgelte auf den Stromrechnungen. Wegen der fehlenden Stromtrassen explodiert noch ein weiterer Kostenfaktor. Er entsteht durch die Notwendigkeit, zunehmend auch Windenergieanlagen vorübergehend auszuschalten. Die Betreiber kassieren über das EEG dennoch weiter Vergütung. Diese zusätzlichen Kosten wird die Bundesnetzagentur nächste Woche voraussichtlich mit mehr als 80 Mio. Euro beziffern. Wegen der berstenden Leitungen steht auch die Idee eines gemeinsamen europäischen Strommarktes auf dem Spiel. Denn um den Verbrauch im Süden etwas zu senken und so die Leitungen zu entlasten, erwägt die Bundesnetzagentur den oft kritisierten Vorschlag der europäischen Energieagentur ACER: die Auflösung der gemeinsamen Preiszone mit Österreich.
Fazit: Je länger der ohnehin teure Netzausbau auf sich warten lässt, desto stärker müssen die Netzbetreiber für viel Geld in den Kraftwerksbetrieb eingreifen. Der Verbraucher darf sich auf weitere deutliche Kostensteigerungen „freuen“.