"Braune" Finanzpolitik
Europa – Deutschland voran – setzen in großem Stil auf Nachhaltigkeit. Es ist das zentrale Thema, das die Wirtschaft bestimmt und mit dem Politik gemacht wird. Nachhaltigkeit ist wichtig, um "die Welt für morgen zu erhalten".
Der Nachhaltigkeits-Fokus ist super-scharf eingestellt. Es müsse in Europa alles getan werden, den globalen Klimawandel zu bremsen, möglichst sogar zu stoppen. Der CO2-Ausstoß muss drastisch reduziert, der globale Temperaturanstieg gebremst werden.
Existenzielle Angst vor dem Klimawandel
Jugendliche haben sogar Angst davor, in einigen Jahren nicht mehr auf der Welt leben zu können, wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird. Darum müsse jetzt beim Klimaschutz alles ganz schnell gehen. Verbrenner gehören verboten und durch E-Autos ersetzt. Kurzflüge sind ohnehin inakzeptabel. Die ganze Wirtschaft soll am besten CO2-neutral werden – und das ganz schnell. Kosten spielen bei den Verängstigten keine Rolle.
Diese scharfe Nachhaltigkeitsfokussierung blendet jedoch einen großen Teil der Welt aus. So wird das Thema rein ökologisch definiert – und nicht einmal das wird mit 360°-Blick betrachtet und bilanziert. Dass die Umweltbilanz von E-Mobilität schon bei den Vorprodukten in den Rohstoff-Minen des Kongo oder bei der Lithium-Gewinnung in z. B. Chile anfängt und sehr schmutzig ist, wird geflissentlich übersehen. Die politisch-gesellschaftlichen Probleme von Kinderarbeit und Umweltzerstörung am anderen Ende der Welt sind hier nicht so wichtig, so lange kein CO2 aus einem Auto-Auspuff kommt. Ähnlich ist die Argumentation bei Windrädern oder der Abschaltung der Kernkraft oder Kohle – obwohl andere Länder beides massiv ausbauen.
Basis für Klimaschutz sind nachhaltig tragbare Finanzen
Auch Nachhaltigkeit hat jedoch einen Preis. Über den haben sich jüngst die Schweizer Gedanken gemacht und in einer Volksabstimmung dazu entschieden. Die Botschaft war: Klimaschutz ja, aber eben nicht um jeden Preis und auch nicht im Alleingang. Hierzulande wird im Wahlkampf das Thema Nachhaltigkeit weiter mit blumigen Forderungen (z. B. Sicherheitsgeschwindigkeit statt Tempolimit) von allen Parteien bedient. Die jeweilige Rechnung soll dann erst nach der Wahl präsentiert werden.
Diese finanziell freie Position können sich die Politiker allerdings leider auch erlauben. Denn die EU hat mit ihrem Vorstoß zum Green Deal die große Linie vorgegeben. Und auch die Geldpolitik ist schon eingenordet. Die Europäische Zentralbank soll "grüner" werden und den Green Deal freigiebig finanzieren.
EZB gibt ihre finanziellen Nachhaltigkeitsziele auf
Passend dazu hat jetzt die EZB das bisher gültige Inflationsziel von knapp unter 2% für Europa aufgegeben. Die Geldentwertung darf das bisherige Inflationsziel phasenweise überschreiten. Damit kehren die "Geldhüter" ihrem wichtigsten Ziel, der Geldwertstabilität, den Rücken. Sie tun es unter dem politischen Druck der Euro-Länder, die sich am freien Kapitalmarkt längst nicht mehr so günstig finanzieren könnten. Das EZB-Geld muss sprudeln, weil die Haushalte nachhaltig nicht mehr finanzierbar sind und Europas Südländer echte Finanzierungsprobleme hätten.
Der Einfluss der Politik auf die Geldpolitik ist schlagend geworden. Die Politik schaltet den Markt als steuerndes Element aus. Die EZB praktiziert in immer größerem Umfang die Finanzierung von Staatshaushalten und akzeptiert nun auch Geldentwertung. Das ist eine gefährliche Kombination und etwas weniger Nachhaltiges kann ich mir nicht vorstellen. Wie "braun" (im Sinne der Nachhaltigkeits-Farbgebung) diese Finanzpolitik ist, merken bisher nur Wenige. Wer aber Nullzinsen auf dem Konto bekommt, vielleicht noch Strafzinsen zahlt und eine Inflation von 2%+X einkalkuliert, der kann sich ausrechnen, wie groß der negative Hebel der finanziellen Repression ist.
In wenigen Jahren werden die heute allein auf ökologische Nachhaltigkeit bedachten Menschen feststellen, dass ihr Fokus viel zu scharf war. Ohne nachhaltige Finanzen in Deutschland und Europa werden wir uns auch Umwelt-Nachhaltigkeit nicht leisten können. Ihr Stefan Ziermann