Der Zweck heiligt die Mittel
Die USA liefern der Ukraine Streumunition, eine international geächtete Waffe. Die Stille der deutschen Medien und Politik dazu schockiert. Sogar der Bundespräsident verweigert den USA zwingend nötige Kritik. Damit hat Deutschland seinen Werte-Kompass verloren, während die Politik Schönwetter-Werte lebt. Dass Grundwerte für politische Interessen geopfert werden, ist inakzeptabel und gefährlich meint FUCHSBRIEFE-Chefredakteur Stefan Ziermann.
Die USA haben sich entschieden, der Ukraine international geächtete Streumunition zu liefern. Was mich daran wirklich schockiert hat, ist die unfassbare Stille in den meisten deutschen Medien dazu. Eigentlich hatte ich mit einem medialen Getöse gerechnet, das mindestens so viele Donnerschläge hervorruft, wie eine der Streubomben, die mehrere hundert Stücke Submunition enthält. Stattdessen: nahezu stillschweigende Kenntnisnahme durch Politik und Medien.
Ich kann das nicht fassen. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine werfen Politiker und Medien in diesem Land alle westlichen Grundwerte über Bord. Die Grünen sind angetreten mit ihrer Friedensbewegungs-DNA und wollten keine Waffen in Kriegsgebiete liefern. Aus 5.000 Helmen wurden Panzer und jetzt Streubomben. Gegen deren Einsatz gibt es weder aus der Regierung, noch aus der Opposition und nur von einzelnen Medien einen Aufschrei der Entrüstung. Stattdessen Relativierungen, Rechtfertigungen, Begründungen.
Grüne akzeptieren Streumbomben-Einsatz
Noch im Februar hatte Außenminister Annalena Baerbock die Lieferung von Streubomben auf der Münchner Sicherheitskonferenz "strikt" abgelehnt. Jetzt, da die USA die international geächteten Waffen liefern, ist das Außenministerium wortkarg. Und noch immer heißt es von Baerbock, es gebe keine Basis für Friedensgespräche. Von zwingend notwendiger Diplomatie keine Spur.
Unbegreiflich ist mir, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) meinen kann, Deutschland könne den USA "in dieser Situation nicht in den Arm fallen." Ich denke: Deutschland hätte den USA in den Arm fallen müssen. Denn es geht nicht um ein Freund-Feind-Denken, sondern um die Verteidigung unserer westlichen moralischen Werte - von denen wir ständig mit breiter Brust behaupten, dass sie anderen Werten überlegen seien. Und gerade Freunde und Verbündete muss man bremsen, wenn sie dabei sind, schwerwiegende Fehler zu begehen.
Deutschland hat seinen Werte-Kompass verloren
Geradezu lächerlich und voller Hohn ist der Linken. Sevim Dagdelen, Obfrau im Auswärtigen Ausschuss und Sprecherin für Internationale Politik und Abrüstung erklärte, Deutschland solle nicht zum Umschlagplatz für geächtete Bomben werden und eine Lieferung über deutsches Territorium verhindern. Wenn die Bomben also auf anderen Wegen in die Ukraine kommen, scheint das für die Linke akzeptabel zu sein. So geht offenbar moderne Friedenspolitik.
Diese Argumentationen zeigen mir, dass die Politik vollends ihren Werte-Kompass verloren hat. Ich halt das für völlig inakzeptabel und gefährlich. Denn offenbar werden in der Bundesregierung, aber auch in der Opposition und weiten Teilen der Vierten Gewalt (Medien) nur Schönwetter-Werte gelebt. Sobald es hart auf hart kommt, werden im Zweifel alle Werte über Bord geworfen oder sie werden komplett weichgespült. Es gilt das Prinzip: Der Zweck heiligt die Mittel.
Ich frage mich, was passiert, wenn die Gegenoffensive der Ukraine weiter stockt? Vielleicht kommt der Tag, an dem die Ukraine den Einsatz von Atomwaffen fordert, als "letztes Mittel, um die völkerrechtswidrige russische Aggression zu stoppen". Was, wenn Washington das in Erwägung zöge? Wird uns die Regierung dann auch erklären, dass dies eine zu akzeptierende Maßnahme ist, um das richtige Ziel zu erreichen, fragt sich Ihr Stefan Ziermann