Entschuldigung, wir schreiben politisch nicht korrekt
Es gab mal eine Zeit, da hieß ein Hoch Horst und ein Tief Tina. Das gab mir Orientierung. Aber warum einfach, wenn's auch kompliziert geht? Wie soll man multitaskingfähig werden, wenn die tägliche Kommunikation so simpel gestrickt ist?
So dachte man in den besonders fortschrittlichen Gesellschaftskreisen, den Universitäten, in den Behörden und mittlerweile auch den Redaktionsstuben, nachdem die Genderwelle aus den USA nach Deutschland geschwappt war. Seitdem erfasst sie das öffentliche Leben und – unsere Sprache. Die tagtägliche Sprachverschwurbelung ist grenzenlos geworden und wir alle wollen doch Grenzen überwinden.
Uns Fuchsbriefe-Redakteure stellt das vor ein schweres Dilemma. Wir sind angetreten, Informationen zu verdichten. Wir wollen, dass Sie die zentrale Botschaft und die Fakten zu einem Thema in möglichst kurzer Zeit erfassen können. Wir setzen auf möglichst wenig Text. Wir schreiben das Notwendige.
Sind Sie Leser oder Lesender?
Doch ich traue mich kaum noch, Sie mit „werte Leser" anzusprechen, ohne die Leserin hinzuzufügen. Das ist zweifelsohne mehr Text, aber ist es auch mehr relevanter Inhalt? Dürfen wir zum „Leser" ohne „in" verdichten oder ist das unzulässig, gar verletzend? Müssen wir einen Artikel pro Brief weglassen, damit die übrigen politisch korrekt erscheinen?
Schwierig, schwierig. Seitdem der Flüchtling ein Geflüchteter ist, die Studenten Studierende sind (was in seiner Bedeutung unglücklicherweise etwas Anderes ist), weiß ich gar nicht, ob ich noch vom Unternehmer sprechen darf, ohne die Unternehmerin anzufügen (und was kommt zuerst?). Oder muss ich Sie nun Unternehmende nennen? Sind Sie Leser oder Lesender?
"Die Sonne" ist unfair
Andererseits fand ich es noch nie richtig, dass es nicht „der Sonne" ist und „die Wind". Das eine wärmt, das andere erkältet. Die Franzosen sprechen schließlich auch von le soleil, dem Sonne. Das ist nicht nur unfair, wir bemerken: „die Sonne" zu sagen, ist geradezu nationalistisch, zumindest ein Stück weit. Und welche gesellschaftlich positiven Veränderungen könnte das hervorrufen, wenn wir hier etwas achtsamer formulierten? Hat das schon jemand untersucht?
Es sollte doch zumindest gestattet sein, im Sprachgebrauch die freie Auswahl bei der Wahl des Geschlechts zu haben. Haben wir sonst ja schließlich auch. Die Genderwissenschaft hat herausgefunden, dass es 60 Geschlechter gibt - mindestens. Nur mein altertümliches Rechtschreibprogramm hat das noch nicht mitbekommen. Das will mich andauernd korrigieren, wenn ich Ihnen schreiben will, dass der Preise für Holz stark anziehen, weil das Wald knapp wird. Das ist einfach ärgerlich, schließlich sind es doch gerade die Softwarekonzerne, die im Genderstrom vorneweg schwimmen.
Entschluss gefasst
In einer langen Redaktionskonferenz sind wir nun zu einem Entschluss gekommen. Wir rufen einen internen Arbeitskreis ins Leben, der die Angelegenheit noch einmal gründlich durchdenkt, bevor wir uns festlegen, wie wir künftig verfahren. Für den Übergangszeitraum gilt bei Fuchsbriefe weiterhin: Weniger ist meistens mehr – auch in der Sprache. Ich hoffe, Sie sehen uns das nach, bittet Ihr