Janet Yellen: Was sind die Worte der Notenbanker wert?
Die Börsen klettern vorsichtig nach oben. Ist das Schlimmste an den Märkten also schon überstanden? Gewiss ist das noch nicht - und ausgerechnet in dieser Situation gießt die ehemalige Fed-Chefin Janet Yellen viel Öl in das Feuer der Notenbanken-Glaubwürdigkeitsdebatte.
Die Börsen robben sich im bestehenden Abwärtstrend wieder an die oberen und fallenden Trendbegrenzungen heran. Die größte Streitfrage auf dem US-Parkett ist derzeit: Rutschen die USA in eine Rezession oder nicht? Für beide Positionen gibt es große Lager mit "guten Argumenten". Die Einschätzung von FUCHS-Kapital bleibt unverändert. Wir gehen von einer - zumindest kurzen - Rezession in den USA aus.
Nicht zu unterschätzen waren in dieser Woche die Worte der ehemaligen US-Notenbankpräsidentin. Janet Yellen hatte "die Größe" zuzugeben, dass sich die Notenbanker in der Einschätzung der Inflationsentwicklung "verschätzt und geirrt" haben. Das kann man, wie von vielen Beobachtern geschehen, positiv bewerten. Für uns ist es ein Zeichen der Schwäche.
Unwissenheit oder eine Lüge?
Scharf formuliert: Entweder Frau Yellen hat gerade bei ihrem Statement gelogen und die Fed hatte die Inflationsentwicklung sehr wohl erahnt. Dann versucht sie jetzt nur, sich eine Absolution zu holen, dass die Geldpolitik viel zu spät reagiert hat. Oder - und das wäre unsere Erachtens noch viel schlimmer - die Fed war fachlich wirklich nicht in der Lage, die Inflationspotenziale zu sehen und ihre Kraft abzuschätzen. Das wäre ein enormes Versagen, schließlich gab es einige Analysten, die auf die jetzt sichtbaren Entwicklungen früh hingewiesen haben.
In jedem Fall ist das Ergebnis, dass die Glaubwürdigkeit und das Zutrauen in die Notenbanken massiv erschüttert ist. Schließlich steht gerade jetzt die Frage im Raum, was die Inflationsprognosen der Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks wohl wert sind. Wie glaubwürdig sind Prognosen, dass die Inflationsraten bald zurückgehen werden - obwohl sie nach wie vor weiter steigen? Wie viel Vertrauen dürfen die Märkte den Aussagen der Notenbanken schenken, dass diesmal - entgegen der historischen Erfahrung - eine weiche Konjunkturlandung gelingt?
Zinsen steigen weiter
Mit Blick auf die Märkte ist jedenfalls sichtbar, dass die Zinsen weiter steigen. Es werde also weiter höhere Inflationsraten eingepreist. Die aktuell steigenden Börsenkurse halten wir daher auch weiterhin für eine Aufwärtstendenz im Abwärtstrend. Wir sehen fundamental noch kein neues großes Bild und Anleger sollten die aktuelle Klettertor nicht überbewerten.
Der diskutierte Ausschluss Russlands aus der OPEC dürfte unseres Erachtens keine negativen Auswirkungen haben. Vermutlich würde ein solcher Schritt den Ölpreis sogar bremsen. Denn einerseits steht Saudi-Arabien parat, um mögliche Versorgungslücken zu füllen. Andererseits wäre Russland dann völlig frei, so viel Öl zu fördern, wie es will. Angesichts der aktuellen Preise dürfte das Land den Ölhahn dann kräftiger aufdrehen - und in China und Indien warten dankbare Abnehmer.
Fazit: Es läuft weiter eine Bärenmarkt-Rally. Die kann den Dax theoretisch noch über den Widerstand bei 14.600 und dann bis 15.000 Zähler führen. Der Dow hat Luft bis 34.000 Punkte. Dort verlaufen die oberen Begrenzungen des Abwärtstrends und dürften die Kurse wieder drücken. Taktische Positionen sollten in diesem Bereich wieder abgebaut oder per Stoppkurs gesichert werden.