Konjunkturboom oder Zinsschock
An den Aktienbörsen sehen wir ein Tauziehen. Es findet statt zwischen sogenanntem smart und retail money. Und es verläuft entlang der Frage, ob die Unternehmen einen Konjukturboom erleben und deren Kurse weiter steigen. Oder ob es an den Märkten zu einem Zinsschock kommt.
Die Börsen sind weiter gefangen zwischen Hoffen und Bangen. Auch die beiden stärksten Einflussfaktoren bleiben bestehen. Es sind die geopolitische Unsicherheit um einen möglichen Krieg in Europa in der Ukraine (41 Mio. Einwohner) und die bei hohen Inflationsraten weiter steigenden Zinsen.
Konjunkturboom oder Zinsschock
Die Beurteilung der Lage ist verzwickt. So hat die Meldung, dass Russland einige Truppen nach einem Manöver von der Grenze der Ukraine abzieht, die Märkte geradezu beflügelt. Von wichtigen Unterstützungen ging es kräftig nach oben. Unter Druck kamen die Kurse zwei Tage später sogleich wieder bei von den USA ausgelösten Spekulationen, dass dieser Truppenabzug nur ein Bluff sein könnte und Russland seine Truppen de facto verstärke. Insbesondere der Goldpreis wird von dieser politischen Unsicherheit beflügelt.
Ähnlich ambivalent ist der Blick auf die Inflation, Zinsen und Unternehmensmeldungen. Die Fundamentaldaten in den USA sind sehr stark. Die Einzelhandelsumsätze sind sehr kräftig um 3,8% gestiegen. Das lag über den Erwartungen. Auch die Industrieproduktion in den USA ist ordentlich angezogen (+1,4% Januar). Das deutet auf ein sehr starkes Konjunkturbild hin.
Beginn der Lohn-Preis-Spirale in den USA
Untermauert wird das vom US-Arbeitsmarkt. Zwar ist die Arbeitslosenquote im Januar gestiegen (von 3,9% auf 4%). Das ist aber nach einem langen Rückgang eine marginale Schwankung. Viel wichtiger beim Blick nach vorn ist aus unserer Sicht dabei vor allem, dass die Zahl der offenen Stellen in den USA kräftig zugelegt hat. Allein im Januar sind 467.000 Stellen außerhalb der Landwirtschaft hinzu gekommen. Und auch die Zahl der geschaffenen Stellen in den Vormonaten wurde nach oben revidiert.
Diese Eckdaten lassen für uns nur den Schluss zu, dass der Inflationsdruck bestehen bleiben wird. Außerdem ist zu erwarten, dass in den USA in diesem Umfeld die Lohn-Preis-Spirale in Gang kommt. Angedeutet wird das auch vom fortgesetzten Renditeanstieg. Die 10-jährigen US-Bonds haben sich jedenfalls inzwischen über 2% festgesetzt. Auch am kurzen Ende klettern die Zinsen im Vorgriff auf US-Leitzinsanhebungen. Die Zinsstruktur schiebt sich somit insgesamt nach oben.
Smart gegen Retail
An den Aktienmärkten findet darum gerade ein Tauziehen zwischen den guten Konjunkturdaten und dem Zinsbild statt. Die Frage ist, wie gut welche Unternehmen mit den Zinssteigerungen zurecht kommen und wie schwer deren Gewicht im hoch bewerteten Gesamtmarkt ist. Wir haben dabei den Eindruck, dass Value-Titel weiter favorisiert werden. Gegen viele andere Titel - voran die Techs - dreht der Wind aber kräftig. Das leiten wir auch daraus ab, dass die Kurse dieser Aktien sogar dann unter Druck stehen, wenn die Unternehmen gute Zahlen liefern. Anleger sollten auch in jedem Fall im Blick haben, dass die Zahl der Unternehmen wächst, die - schon jetzt - ihre Verbindlichkeiten nicht mehr aus dem laufenden Geschäft bezahlen können.
Die Bewertung dieser fragilen Lage hat auch bei den Marktteilnehmern zu einem Tauziehen geführt. Ein Händler sagte uns, dass gerade "Smart gegen Retail" im Ring stehen. Während Institutionelle Anleger (auch als smart money bezeichnet) eher auf der Verkäuferseite stehen, nutzen Privatanleger (Retail) jeden Dip zu Käufen. Das ergibt im übergeordneten Bild den schnellen Wechsel auf Auf- und Abschwüngen. Wobei das große Bild weiter eine Top-Bildung signalisiert.
Fazit: Strukturell verschlechtert sich das Marktbild. Ein Rutsch unter die Unterstützungen wird wahrscheinlicher (DAX 14.800, Dow 33.000). Damit auch eine echte Korrektur (20%). So lange die Basis aber hält, besteht die Chance auf Anläufe in Richtung Top in der großen Seitwärtsrange. Neue Käufe sind derzeit nur nahe der Unterstützungen angezeigt - und auch nur in den hier schon vorgestellten Value-Branchen. Techs bleiben unter Druck und sollten sukzessive reduziert oder abgesichert werden.