Die E-Commerce-Trends werden zunehmend in Asien gemacht
Online-Händler und -vermarkter sollten künftig verstärkt nach Osten schauen. Denn neue Trends im E-Commerce werden zunehmend in Asien und voran in China entstehen. Kein Wunder: Dort ist der Markt mit rund 850 Mio. digitalen Verbrauchern am größten, der Wettbewerb ist intensiv, der Datenschutz gering und die Konzerne dürfen fast alles ausprobieren, ohne von Regulatoren ausgebremst zu werden. Während die westliche Welt meist voller Bewunderung die Namen Amazon, Facebook und Google im Munde führt, sind die asiatischen Konkurrenten Alibaba (Online-Shop), Meituan (Lieferservices, Konsumgüter und Einzelhandelsdienstleistungen), und Pinduoduo (Gruppeneinkäufe) noch weitgehend unbekannt. Doch allein in China werden online jährlich Waren im Wert von 1,6 Billionen Euro umgesetzt.
Neuste Entwicklung: Online-Shopping-Plattformen in China verschmelzen inzwischen die gesamte digitale Angebotspalette. Sie kombinieren digitalen Zahlungen, Gruppeneinkäufe, soziale Medien, Gaming, Instant Messaging, Kurzvideos und die Präsentation von Live-Streaming-Promis.
Asiens Einfluss reicht bis nach Amerika
Die Märkte in China und dem übrigen Asien sind mit dem US-amerikanischen kaum verwoben. Doch selbst auf dem amerikanischen Kontinent ist der US-Einfluss nicht mehr dominant. In Lateinamerika etwa ist Mercado Libre mit Sitz in Argentinien und Verbreitung auf dem gesamten südamerikanischen Kontinent stark von der chinesischen Multi-Angebots-Strategie beeinflusst. Geschäftsfeld sind Auktions- und Kleinanzeigenportalen nach dem Vorbild von eBay. In Südostasien ist es Grab (Privattaxi á la Uber sowie Essenslieferungen mit bargeldloser Bezahlung mit Sitz in Singapur und Geschäftsbetrieb in Indonesien, Malaysia, Thailand, Vietnam, Philippinen, Kambodscha und Myanmar), in Indien Jio (Telekommunikation). Europa steht als Beobachter staunend dazwischen.
Europäische Multis – darunter Adidas, Unilever, L’Oréal – erzielen in Asien vielfach mehr Umsatz als in den USA. Sie richten den Blick folgerichtig vermehrt nach Osten, um die neuesten Entwicklungen in den Bereichen digitales Marketing, Branding und Logistik zu erkennen.
US-Firmen brechen Angebots-Silos auf
Auch die USA lassen sich vom chinesischen „E-Commerce-Virus“ infizieren. Sie brechen ihre bisherigen „Silos“, die sich auf ein Angebot konzentrierten, auf. Facebook bewirbt jetzt Einkaufsdienste in seinen sozialen Netzwerken. Live-Streaming und die Nutzung des Messangerdienstes WhatsApp gehören ebenfalls zum Angebot und werden Zug um Zug verwoben. Der US-Einzelhandelsriese Walmart hat bereits ein erstes Live-Shopping-Event auf der chinesischen Plattform TikTok veranstaltet. Walmart will sich an TikTok beteiligen. In Frankreich war im vergangenen Quartal Vova (Online-Einkauf) die sechsthäufigste heruntergeladene E-Commerce-App. Gründerunternehmen ist Pinduoduo.
Es zeichnet sich damit ab, dass E-Commerce nach dem Finanzmarkt der nächste weltumspannende Markt werden wird. Mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt. Angefangen von der Einkaufsmacht der E-Commerce-Giganten bis hin zu kartell- und steuerrechtlichen Problemen, die das aufwirft.
Das Verbrauchervertrauen muss hier noch gewonnen werden
Verbraucher können mit weiter sinkenden Preisen rechnen. Anbieter und kleine lokale Konkurrenten werden den Preisdruck zu spüren bekommen. Die Asiaten werden schnell lernen, dass sie in Europa nur konkurrieren können, wenn sie sich ein ähnliches Vertrauen beim Verbraucher erwerben wie beispielsweise Amazon. Dessen Retourenservice ist in der Regel unkompliziert und verbraucherfreundlich. Chinesische Firmen arbeiten da vielfach noch trickreich, so dass es der Verbraucher schwer hat, eine Rückgabe durchzuführen.
Fazit: Die Asiaten vornehmlich als geschickte Kopierunternehmen ohne eigene Innovationskraft zu betrachten, wäre fahrlässig. So wie bisher US-Verbrauchertrends die europäischen Märkte und Kaufgewohnheiten massiv beeinflusst haben (Halloween, Black Friday etc.), werden zunehmend asiatische Einflüsse und Besonderheiten das Geschäft mitprägen.