Die neue Standortdebatte
Deutschland steuert auf eine neue Standortdebatte zu – und diesmal tragen die Länder einen Gutteil der Verantwortung.
Deutschland steuert auf eine neue Standortdebatte zu – und diesmal tragen die Länder den Großteil der Verantwortung. So rosig die konjunkturelle Lage derzeit aussieht – der BDI prognostizierte gerade für dieses Jahr 2% Wachstum – so zeigen sich bereits heute die Ursachen der Probleme von morgen: unzureichende digitale Infrastruktur, zu lange Planungszeiten, zu hohe Energiekosten, Fachkräftemangel und steigende Personalkosten sowie eine überbordende Bürokratie. In den 1990er Jahren waren es Löhne, Arbeitszeiten, Steuern und Abgaben, die den Standort unattraktiv gemacht hatten. Die Abstimmung mit den Füßen hat längst begonnen. Fast jeder zweite Industriebetrieb wolle 2015 Kapital für Auslandsinvestitionen in die Hand nehmen, stellt der DIHK in einem Papier an den Arbeitskreis Industrie der Kammern fest. Immer mehr Unternehmer (23%) gäben steigenden Kostendruck als Beweggrund ihrer Entscheidung an. Ralf Lawaczeck, Geschäftsführer der IHK Koblenz, ist überzeugt, dass die deutschen Firmen auch beim Dauerbrennerthema „Industrie 4.0“ hart am Ball sind. Nur ein Drittel unterschätze seiner Meinung nach die Dynamik des Digitalisierungsprozesses. Allerdings fehle es oft an den infrastrukturellen Voraussetzungen, sich entsprechend zu entwickeln. Hier wirkten die Länder – wie in der Energiepolitik – als Bremser. Da scheitert der Breitbandausbau schon einmal daran, dass ein Leerrohr aus planungsrechtlichen Gründen nur nach hohem Aufwand unter einer Bundesstraße hindurchgeschossen werden kann. Oft fehle es schlicht an Fachpersonal, um Planungen durchzuführen. Dennoch wendet er sich dagegen, die Zukunftsfähigkeit des Standorts zu sehr auf die Frage der Digitalisierung zu verengen. „Die Unternehmen haben bei ihren Investitionsentscheidungen die Gemengelage fest im Blick“, meint Lawaczeck. Die IHK ist Mitausrichterin des Petersberger Industriedialogs. Hier diskutieren Firmenleiter aus der Region einmal im Jahr die Herausforderungen des deutschen industriellen Mittelstandes – ohne politische Fensterreden.
Fazit: Die Länder fungieren in der neuen Standortdebatte als der große Bremsklotz. Ob Energie, ob Planungsrecht und digitaler Ausbau, ob Bildung, ob Sicherheit – es geht zu wenig zusammen. Sie tragen die Hauptverantwortung, wenn der Standort Deutschland nach einem guten Jahrzehnt wieder in Gefahr gerät.