Jugendstil ist bei Sammlern wieder gefragt
Der Jugendstil scheint ein wieder aufstrebendes Segment am Kunstmarkt zu sein. Jüngst führten mich meine Reisen wieder in diverse Hotels. Besonders neuere Häuser der gehobenen Kategorie empfingen mich überwiegend mit dezenter Sachlichkeit in gedeckten Farben zwischen steingrau und mattem gold-oliv. Andere Häuser versuchten mich mit poppigen Farben und normierten Interieur für sich einzunehmen.
Ein aktueller Trip nach Prag erinnerte mich an eine fast schon untergegangenen Kategorie Hotels. Häuser mit dem Charme der Üppigkeit an Dekor und Ornamentik. Auf solche Hotels trifft man vorwiegend in Metropolen wie Wien, Budapest Brüssel, Nancy, Paris und eben Prag. Denn diese Städte waren zentrale Orte, an denen sich gegen Ende des 19. Jahrhundert und vorwiegend im frühen 20. Jahrhundert Architekten, Designer und Maler zusammenfanden.
Jugendstil als Gegenentwurf zur Industrialisierung
Am Ende einer Phase rasanter industrieller Entwicklung entstand zwischen 1865 und 1910 entstand der Jugendstil. Er war geprägt von einem zunehmenden bürgerliches Bedürfnis für ein Gegenkonzept zu den aufsprießenden Vorstadtsiedlungen, den Industrieanlagen und den rein auf ihren Nutzen ausgelegte Dinge. Anders als in den Jahren des Historismus ging es nicht um einen Neuaufguss von Gotik oder Renaissance. Vielmehr ging es um die Zusammenführung von Dekor und Ornament mit neuen Materialien und teils industriellen Fertigungsmethoden.
Häufig bedienten sich die Künstler jener Zeit spezieller Werkstätten, in denen ihre Entwürfe gefertigt wurden. Henry van de Velde, Richard Riemerschmid, Gustav Klimt, Peter Behrens oder auch Edvard Munch zählen wohl zu den bekanntesten Vertretern jener Jahre. Noch heute wirken ihre Gemälde, Objekte oder Architekturen auf den Betrachter inspirierend. Die Bedeutung des Jugendstils liegt in seiner Präsenz in allen Künsten und in der Stilbildung für Generationen. Und dies, obwohl nach einer historisch kurzen Entfaltungsperiode eine zügige Ablösung durch Reformbewegungen, wie das Bauhaus bzw. dem Expressionismus folgte.
Jugendstil wieder gefragt
Aktuell sind Kunstobjekte des Jugendstils bei Sammlern und Liebhabern sehr gefragt. Plakate mit Frauengestalten von Alfons Mucha, die Gemälde von Gustav Klimt, Teegeschirre von van de Velde sind Ikonen des Jugendstils. Sitzmöbel oder Gefäße von Riemerschmid sind großartige Objekte. Der kundige Interessent sollte auf Auktionen oder im Kunsthandel vorwiegend auf originale Unikate schauen.
Druckgrafische Arbeiten, Möbel o.a. wurden und werden wegen ihrer Beliebtheit gern nachgemacht. So stiegen die Preise für Zeichnungen/Aquarelle von Alfons Mucha in den vergangenen 25 Jahren bis zum Fünffachen an. Für die berühmten Sessel Havana von Henry van de Velde werden mittlerweile Preise zwischen 25.000 bis 38.000 Euro aufgerufen.
Herausragende Objekte im Blick
Herausragende Glasobjekte im Entwurf von Emile Galle aus Nancy sind auf Auktionen nicht wegzudenken. Besonders die floral dekorierten Lampen in der Form eines Champignons sind je nach Gestaltungsaufwand in einer Spanne von 2000 Euro bis 50.000 Euro zu finden. Aber Achtung: Hier gibt es zahlreiche Nachahmungen. Franz von Stucks Skulptur Amazone arbeitete sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten von 7.500 Euro auf 38.000 Euro empor.
Im Allgemeinen hat sich der Markt für wertige Objekte des Jugendstils jüngst stark belebt. Die Nachfrage wurde überwiegend von Kunden aus Österreich, Deutschland und Benelux getragen. Vermehrt traten jüngst Käufer aus Übersee in Erscheinung.
Gute Auktionshäuser in Deutschland
In Deutschland punkten das Auktionshaus Mehlis (Plauen), Quittenbaum Auktionshaus (München) und auch Auktionshaus Dr. Fischer (Heilbronn) regelmäßig mit umfangreichen Offerten des Jugendstils. Günstig für die positive Entwicklung des Marktsegments ist auch eine beginnende Wandlung des Publikumsgeschmacks. Nach Jahren der Nüchternheit in Mode, Wohnen und Design suchen besonders jüngere Käufer wieder Wärme, Behaglichkeit und Inspiration. Der Purismus neigt sich wohl dem Ende entgegen und eine Prise Üppigkeit lenkt von den Problemen unserer Zeit ab.
Ausstellungsempfehlungen/ Messetermine
Brüssel, Horta-Museum
Victor Horta versus Art Nouveau
24. März bis 1.Juli 2024
Bitterfeld, Musik-Galerie an der Goitzsche
Aufbau.Arbeit.Sehnsucht – der Bitterfelder Weg
bis September 2024
Augsburg, Grafisches Kabinett
Faszination Bühne
bis 12. Mai 2024
Herford, Marta
Rodney McMillian – The Land: Not Without a Politic
16. März bis 16. Juni 2024