Lasst Erdogan rein!
Die Debatte um ein Auftrittsverbot des türkischen Präsidenten Erdogan schlägt Wellen. Es gibt eine bessere Möglichkeit, Erdogan in die Schranken zu weisen. Ein Kommentar von Fuchsbriefe-Chefredakteur Ralf Vielhaber
In Deutschland gilt die Meinungsfreiheit. Sie ist ein sehr hohes Gut. Sie steht bereits unter Druck. Wir sollten sie verteidigen. Auch, wenn sie von den „falschen“ Leuten genutzt, manche würden sagen missbraucht wird. Dass türkische Politiker in Deutschland Wahlkampf machen, hat einen üblen Geschmack. Mancher ballt die Faust in der Tasche, wenn er Sätze aus den aufreizenden Reden – auf Türkisch – an die Gemeinde der Deutschtürken hört. Sind das nun unsere Landsleute? Wer Erdogan als seinen Präsidenten ansieht, identifiziert sich nicht mit Deutschland als Heimat und steht wohl kaum auf dem Boden der deutschen Verfassung. Doch das ist ein anderes Thema. Die Demokratie, die nicht verbietet, ist stark. Und sie hat adäquate Mittel mit ungebetenen Gästen und Positionen umzugehen: voran die machtvolle, große Demonstration. Die öffentlich zur Schau gestellte Gegenmeinung. Kein Verbot, kein Bitte an den türkischen Staatspräsidenten kann ähnliche Kraft entfalten. Doch wie stark ist unsere Demokratie (noch)? Wo sind die Streiter gegen Rechts, die sonst so lautstark zu hören sind? Wo die Grünen, die Gewerkschaften, die NGOs, die zu einer bundesweiten Anti-Erdogan-Demo aufrufen? Nirgends, leider. Nur die Linke, so hatten wir vor einer Woche recherchiert (FB vom 27.2.), möchte eine solche machtvolle öffentliche Kundgebung. Kein Wunder, dass türkische Politiker so selbstbewusst tönen. Die deutsche Gesellschaft duckt sich weg, scheut die Auseinandersetzung und ruft nach der Politik, statt dem eigenen Standunkt deutlich Geltung zu verschaffen.
Fazit: So viel Schwäche provoziert geradezu ausgenutzt zu werden, meint Chefredakteur Ralf Vielhaber