Die Datenspionageaffäre wird als eine Zäsur im deutsch-amerikanischen Verhältnis in die Geschichte eingehen. Die – im Grunde nicht überraschende – totale Abhöraktion der US-Geheimdienste gegenüber den deutschen Bürgern und insbesondere ihrer Kanzlerin hat das romantisch verklärte, naive Bild der Deutschen von ihren amerikanischen „Freunden“ zerbrechen lassen. Freundschaft hat im Deutschen etwas Unbedingtes, bei dem die eigenen Interessen hintan gestellt werden. In den USA ist ein „friend“ schon eine lockere Facebook-Bekanntschaft. Jetzt sind die Deutschen aufgewacht und merken: Staaten hatten und haben stets nur Interessen. Die Amerikaner gehen ganz selbstverständlich davon aus. Deshalb fehlte ihnen die Sensibilität für die europäische, besonders aber die deutsche Empörung. In Deutschland wussten Politik und Geheimdienste selbstverständlich, was unter Staaten zählt. Dennoch hat die hiesige Politik den deutschen Freundschaftsbegriff im Verhältnis zu den USA stets betont – vielleicht etwas zu intensiv. Deshalb fühlen sich die Deutschen jetzt vom amerikanischen Freund hintergangen, der bei der Datenspionage ausschließlich seine Interessen im Blick hat. Wer sich hintergangen fühlt, nimmt gerne Rache. Anders ist die unsinnige Forderung deutscher Medien kaum zu erklären, der in den USA als Geheimnisverräter angeklagte Edward Snowden solle nach Deutschland kommen und hier Asyl erhalten. Da regiert weiterhin die Emotion, nicht der Verstand.
Fazit: Das Ende einer übertriebenen Emotionalität im beiderseitigen Verhältnis hat auch gute Seiten. Die Verabschiedung der USA aus der Rolle des gütigen Freundes wird der deutschen Politik helfen, erwachsen zu werden und die deutschen Interessen sauber zu formulieren und dafür einzutreten, meint Ihr
Ralf Vielhaber (Chefredakteur Verlag FUCHSBRIEFE)