Schlechte Nachrichten für den Welthandel. Die Piraterie „feiert“ Erfolge. Das belegt die Entführung des Produktentankers MV Kerala vor der Küste Angolas durch Piraten, die offenbar von Nigeria aus operieren. Das lässt eine kritische Ausweitung des Operationsgebiets erkennen. Auch die Route der so genannten Caper – Großschiffe, die weder Suez- noch Panamakanal passieren können – rund um die Kontinente kommt damit in Reichweite der organisierten Kriminalität. Gerade diese bislang als sicher geltende Ausweichroute hatte durch die Piraterie vor Somalia an Bedeutung gewonnen. Der gestiegene Fahndungsdruck in Nigeria scheint sich in der neuen Entwicklung bemerkbar zu machen. Die in Nigeria illegal abgezweigte und vermarktete Ölförderung ist von rund 200.000 Barrel/Tag auf etwa 50.000 Barrel/Tag gefallen, schätzt der IWF. Da liegt es nahe, kriminelles Know-how und Kontakte anderweitig zu verwerten. Den Piraten gelang es, die automatische Identifikation (AIS) sofort zu stoppen, die Ladung von 60.000 Tonnen Diesel zum Teil noch auf See umzuladen und das leergepumpte Schiff in Ghana zurückzulassen. Der ganze Ablauf, vor allem aber die Vermarktung ganzer Ladungen, ist nur mit einem professionellen Hintergrund möglich. Dahinter scheinen nach aktuellen Erkenntnissen Strukturen der Londoner City zu stehen. Sie wird immer mehr zu einem Brückenkopf der Organisierten Kriminalität und dient als Schnittstelle zum legalen Teil der Weltwirtschaft. Die britische Regierung konzentriert sich bei ihrem Kampf gegen Wirtschaftskriminalität darauf, ihre Eingriffsrechte möglichst weit auf ausländische Unternehmen auszudehnen. Sie verschließt aber die Augen vor der schleichenden Unterwanderung der City durch das organisierte Verbrechen. Zu allem Überfluss leugnen die für die Sicherheit der MV Kerala verantwortlichen Behörden Angolas die Entführung. Ihr Argument: Das Schiff sei unter einer Billigflagge (hier Liberia) gefahren. Das sei ein Indiz für eine vorgetäuschte Entführung und einen Versicherungsbetrug. Sie waren mit dieser Begründung im aktuellen Fall untätig geblieben. Indizien über den Flaggenstaat hinaus haben die Angolaner nicht genannt. Die Reederei hat dem Vorwurf widersprochen. Sollte die angolanische Praxis zur Regel werden, Billigflaggen als nicht schutzwürdig anzusehen, wäre vor allem die größtenteils ausgeflaggte deutsche Handelsflotte faktisch schlechter, unter Umständen sogar überhaupt nicht mehr gegen Piraterie geschützt.
Fazit: Die Piraterie breitet sich aus, weil sie durch steigenden Fahndungsdruck nur lokal verdrängt wird. Damit werden zugleich die positiven Erwartungen für den Welthandel infrage gestellt. Denn der Seeverkehr wird mit zusätzlichen Risiken belastet. Das wiederum wird zu steigenden Kosten führen.