Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Und aus Silber wird kein Gold mehr. Erteilt ein Angehöriger im Verwaltungsverfahren vor einem finanzgerichtlichen Verfahren – trotz ausdrücklicher Belehrung über seine Rechte – freiwillig Auskünfte, darf das Finanzgericht im Steuerprozess die Urkunde über die vorgerichtliche Vernehmung verwerten. Das gilt auch dann, wenn es sich der Zeuge später anders überlegt und sich vor dem Finanzgericht auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft.
Im Urteilsfall hat der eigene Bruder den Kläger beim Hauptzollamt angezeigt. Er erklärte, der Kläger betreibe seit ca. 20 Jahren „schwarz“ ein gewerbliches Stuckateurgeschäft. Deswegen wurde die Steuerfahndung tätig.
Schwarze Bankkonten des Bruders aufgeflogen
Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Klägers wurden zahlreiche Bareinzahlungen auf die Bankkonten des Klägers und seiner Ehefrau bekannt. Die Prüferin der Steuerfahndungsstelle kam zum Ergebnis, dass der Kläger in den Jahren 2001 bis 2010 eine gewerbliche Tätigkeit als Stuckateur und Gerüstverleiher ausgeübt und hieraus bisher nicht erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Da der Kläger keine Betriebseinnahmen und -ausgaben aufgezeichnet und er während der Prüfung nicht mitgewirkt habe, wurden die Umsätze und Gewinne an Hand der Ausgabenüberhänge einer Bargeldverkehrsrechnung geschätzt.
Der Bruder wurde mehrfach durch Beamte der Steuerfahndung vernommen. Immer war er über seine Auskunftsverweigerungsrechte belehrt worden. Dennoch hatte er in seinen Vernehmungen detaillierte Angaben gemacht. Erst in der strafrechtlichen Hauptverhandlung sowie im Vorfeld der vom Finanzgericht anberaumten mündlichen Verhandlung berief er sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht.
Finanzgericht nutzte Vernehmungsprotokolle für Beweisführung
Das Finanzgericht hat die Protokolle der vorgerichtlichen Vernehmungen des Bruders dennoch in seine Beweiswürdigung einbezogen. Das ist zulässig. Es verstößt weder gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme noch besteht ein Verwertungsverbot, so der BFH unter Änderung seiner Rechtsprechung. Die Aussagen des Bruders durften daher vom Finanzgericht zum Schaden des Klägers verwertet werden.
Ausgangspunkt der Schätzung des Finanzgerichts und damit die entscheidende Schätzungsgrundlage war die Höhe der Bareinzahlungen, die in den einzelnen Jahren auf die Bankkonten der Kläger vorgenommen worden waren. Dabei hat das FG einzelne Bareinzahlungsbeträge einerseits als "von den Klägern ausreichend und nachvollziehbar erläutert". Zugleich hat es sie als "ungeklärt" und damit als "Schwarzeinnahmen" angesehen.S
Nur betriebliche Einnahmen dürfen in Schätzung einfließen
Wenn eine Einnahme nachweislich mit der betrieblichen Tätigkeit nichts zu tun hat, darf sie nicht bei der Schätzung der Betriebseinnahmen berücksichtigt werden. Das Finanzgericht berücksichtigte solche geklärten Zahlungseingänge teilweise aber gleichwohl bei seiner Schätzung und erfasste sie als Betriebseinnahmen. Eine solche Würdigung ist widersprüchlich. Sie stellt daher einen vom BFH als vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigenden Verstoß gegen die Denkgesetze dar, so der BFH. Das Finanzgericht muss den Fall deswegen nochmals neu aufrollen.
Fazit: Wer von seinem Zeugnisverweigerungsrecht einmal nicht Gebrauch macht und redet, kann das Gesagte später nicht wieder zurücknehmen. Es kann dann in einem Prozess verwendet werden.
Urteil: BFH, X R 9/19