Auf dem Weg zu neuen Hochs
Die Börsen feiern immer ausgelassener. Uns erinnert das zunehmend an den Neuen Markt und die Tulpen-Hausse und den folgenden Crash von 1637. Auch jetzt sind die Börsen wieder im Fieber - ausgelöst vom Corona-Virus und den globalen Rettungsmaßnahmen. Wann platzt die Blase?
Die Aktienmärkte - voran Tech-Werte - haben in den "Neue-Markt-Modus" geschaltet. In immer größerer Geschwindigkeit geht es immer steiler nach oben. Einige Titel erreichen dabei inzwischen Mondpreise.
Erneut das Beispiel Tesla. Das Unternehmen wird an der Börse derzeit mit 440 Mrd. US-Dollar bewertet. Der Jahresumsatz liegt im Jahr bei 24 Mrd. Dollar - das ist noch längst nicht der Gewinn. Umgerechnet bedeutet das: Wenn der Kurs der Tesla-Aktie um 5% steigt, dann hat das Unternehmen seine Marktkapitalisierung um einen ganzen Jahresumsatz gesteigert.
Mondpreise am Markt
Beispiel Zoom: Das Unternehmen vermarktet eine Software für Videokonferenzen - und das ist keine hochgeheime Raketenwissenschaft. Das Geschäftsmodell basiert auf einem einzigen Produkt, das leicht kopierbar ist. Der Umsatz des Unternehmens liegt in diesem Jahr voraussichtlich um 2,4 Mrd. US-Dollar im Jahr. Der Kundenzuwachs schwächelt. Der Gewinn dürfte bei etwa 9 Cent je Aktie liegen, das operative Ergebnis insgesamt bei knapp unter 15 Mio. US-Dollar. Das KGV an der Börse liegt bei 235. Für Wachstumswerte ist ein KGV-Wert von 30 noch gerade so angemessen.
Das ist eine völlig unrealistische und ungesunde Entwicklung. Die strahlt auch auf andere Märkte aus und zeigt sich in davongaloppierenden Bewertungen. Sogar am Anleihenmarkt ist die Kaufpanik und der Anlagedruck aufgrund der überbordenden Liquidität zu spüren. Beispiel Adidas. Der Sportartikelhersteller hat gerade eine Anleihe-Emission vollzogen und wollte mit zwei Anleihen 1 Mrd. Euro einsammeln. Der angebotene Zinssatz für die vierjährige Anleihe lag bei 0%. Für die fünfzehnjährige Laufzeit bot Adidas 0,62%. Auch diese Rendite ist nach Inflation deutlich negativ. Insgesamt wurden dennoch Kauforders für 7 Milliarden Euro abgegeben.
Fundamentale Fragezeichen
Die fundamentalen Entwicklungen bremsen unseren Enthusiasmus aber weiter. Während die Börsen munter weiter galoppieren, erhöhen die Banken ihre Risikovorsorge gegen Kreditausfälle enorm. Teilweise wird sie um über 300% nach oben gefahren. Viele Geldhäuser fürchten eine massive Zunahme von Insolvenzen. Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank geht davon aus, dass die Rückkehr zu einer Wirtschaft so stark wie vor der Corona-Pandemie "viel länger dauern" wird als bisher gedacht.
Viele Lieferketten in Unternehmen rund um den Globus bleiben nachhaltig gestört. Zahlreiche Unternehmen suchen neue Lieferanten, bauen Produktion und Lagerhaltung um. Das bindet Zeit und Geld in den Firmen, belastet die Margen und wird Produkte im Trend teurer machen. Zugleich ist unser Eindruck, dass der aktuelle Aufschwung in den Unternehmen wesentlich von den exorbitanten Staatsausgaben getragen ist. Der Export schwächelt dagegen weiter, viele Umsätze liegen noch weit unter dem Vorjahresniveau (z. B. Automobilneuzulassungen in der Eurozone -42% ggü. Vj.).
Value-Anleger im psychologischen Dilemma
An der Börse ist damit nur das billige Geld der Treibstoff für die Kurse. Die Bewertungen sind der fundamental-realen Lage längst enteilt. Anleger, die neu investieren wollen stecken in dem psychologischen Dilemma, den Kopf ausschalten und auf einen zügig fahrenden Zug aufspringen zu müssen. Das ist allerdings mit Blick auf die fundamentalen Daten und in die Historie von Börsenentwicklungen nicht leicht.
Erinnerungen an die Kursentwicklung des neuen Marktes oder an die Tulpen-Hausse drängen sich uns auf. Wer das Risiko scheut, hat nur die Alternative, den rasenden Zug abfahren zu lassen - ohne zu wissen, wie weit er noch fährt. Allerdings sehen wir weiter viele Warnlampen (Fuchs-Kapital vom 27.8.) und fragen uns auch, wenn ein paar große Adressen mal wieder "den Schalter umlegen", um die irrsinnigen Buchgewinne auch zu realisieren. Dafür bedarf es nur eines einzigen Ereignisses.
Eine unbeantwortete Frage
Eine strategische Frage bekommen wir derzeit nicht beantwortet: Wenn sich die Konjunktur im Laufe der nächsten Monate selbst tragend verbessern sollte - was machen dann die Notenbanken. Reduzieren sie ihre Liquiditätsversorgung der Finanzmärkte und mit welchen Folgen? Unsere Vermutung: Die Börsen dürften das angesichts der bisher bereitgestellten Volumina nicht gut verkraften.
Fazit: Value-Anleger haben nur die Möglichkeit, vorsichtig mitzutanzen. Die Märkte sind völlig überreizt, aber es kann trotzdem noch weiter gehen. Aktien aktiv zu verkaufen, ist nicht ratsam. Besser ist es, mitzutanzen und Stopps einzubauen. Wir sind überzeugt, dass diese Party nicht ewig läuft. Daher warten wir mit neuen Käufen weiter auf den zweiten Rutsch.