Die Börsen versuchen, sich zu berappeln. Der DAX hat immerhin mehrfach den Angriff auf die Unterstützungszone zwischen 14.800 und 15.000 Punkten abgewehrt. Das ist kurzfristig ein gutes Zeichen und verschafft dem Index zunächst ein wenig Luft nach oben. Die Frage ist, wie weit die Puste jetzt reicht. Ähnlich sieht es in den großen US-Indizes aus. Aber: Weder im Dow noch im S&P 500 ist die Trendwende damit abgeblasen.
Die US-Inflationsrate kann allerdings keinen neuen Börsentreibstoff geliefert haben. Sie ist auf 5,4% gestiegen und hat sich sogar noch beschleunigt. Analysten hatten eher damit gerechnet, dass sich der Inflationsanstieg allmählich beruhigen wird. Wir hatten diese Annahme allerdings schon länger bezweifelt. Denn die Energiepreise bleiben weiter hoch und steigen.
Konjunkturprobleme und Inflation
Auch die Lieferengpässe sind noch lange nicht vorüber. Im Gegenteil: Aus China hören wir derzeit Nachrichten, die befürchten lassen, dass die Lieferschwierigkeiten, die zu immer mehr Produktionskürzungen führen, noch zunehmen werden. Gerade ist das Reich der Mitte mit aller Macht dabei, die eigenen Stromversorgung der Produktion zu sichern. Das scheint aber eine Herkulesaufgabe zu sein und nur mit Energie-Rationierungen in den Unternehmen und Privathaushalten kurzfristig halbwegs zu gelingen. Ganz nebenbei ist zu erwarten, dass China die Kohleverstromung weiter massiv hochfahren wird. Der CO2-Abdruck des Riesen-Reiches wird gerade ein "Riesen-Latsch" und lässt alle Bemühungen in Deutschland wie Schnecken-Schritte aussehen.
Verwunderliche Zuversicht der Börsen
Wir wundern uns daher etwas über die Zuversicht der Börsen, schreiben sie aber weiter einer eher charttechnischen Entwicklung zu. Denn auch von den Notenbanken gibt es keinerlei Signale, dass sie angesichts der fundamentalen Schwierigkeiten (Risiken) seitens der Konjunktur ihre geldpolitische Wende verschieben oder hinauszögern werden. Das können die Geldhüter aus diversen Gründen nicht. Einerseits würden sie Glaubwürdigkeit verlieren. Auf der anderen Seite ist der US-Arbeitsmarkt robust und die Inflation läuft der Fed davon. Wenn sie jetzt nicht reagiert (so wie angekündigt), käme das einer Kapitulation gleich.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) kann ihren Pfad nicht mehr verlassen, wenn sie keinen Rufschaden nehmen will. Die EZB wird das Corona-Notkaufprogramm wie angekündigt im März 2022 auslaufen lassen. Dadurch reduziert sich das Anleihekaufvolumen von 80 auf 20 Mrd. Euro pro Monat. Dennoch besteht das realistische Risiko, dass "die EZB und einen politischen Kurs wählt, der zu wenig erreicht und zu spät kommt", so Katharine Neiss, Europäische Chefvolkswirtin bei PGIM Fixed Income. Sie reduziert die Liquiditätszufuhr in die konjunkturelle Verlangsamung hinein und muss ebenfalls steigenden Inflationsraten hinterher sehen. Wobei sich die EZB schon darauf festgelegt hat, eine Inflation über 2% zeitweise zu tolerieren.
Gold sendet Achtungszeichen
Der Goldpreis signalisiert aus unserer Sicht am präzisesten die aktuelle Marktverfassung. Die Notierungen steigen, klettern gerade wieder über die Marke von 1.800 US-Dollar je Feinunze. Hier preisen die Marktteilnehmer einen steigenden negativen Realzins ein (insbesondere in Europa) und wachsende langfristige Börsenrisiken. Gold wird als sicherer Anlagehafen wieder angelaufen. In weiser Voraussicht haben wir den Goldbestand in unserem Depot schrittweise heraufgefahren.