Altfonds auf dem Prüfstand
Ein Fall aus der Praxis
Sieglinde Schirandow hat aus der Zeit vor 2009 zwei Investmentfonds im Bestand. Diese profitieren von der alten Steuerregel: einen Dividenden-Aktienfonds und einen defensiv ausgerichteten Mischfonds. Aus Fachmedien hat sie erfahren, dass „ihre“ Fonds in den Ranglisten weit unten stehen. Der Dividendenfonds hat im Vergleich zu anderen Aktienfonds sehr hohe Dividendenanteile. Damit ist der Anteil der Kursgewinne am Gesamtergebnis des Fonds naturgemäß gering. Die Dividendenerträge werden – unabhängig vom Kaufdatum – mit der Abgeltungsteuer abgerechnet. Das Problem: Der Fonds „leidet“ unter hohen Gebühren. Das Factsheet weist 2,0% Gesamtkosten aus. Ein vergleichbarer (und besser performender) Indexfonds (ETF) kommt auf 0,3%. Nun bedarf es einer Teilanalyse der Kursgewinne (die Dividendenbesteuerung ist bei beiden Fonds gleich): Angenommen, die Kursgewinne betragen pro Jahr 2,5%. Beim Altfonds sind diese steuerfrei. Nach Kosten verbleiben für die Unternehmerin 0,5%. Der ETF würde bei gleichem Kursgewinn 2,2% nach Kosten bringen – allerdings steuerpflichtig. Nach Abgeltungsteuer und Soli-Zuschlag würden damit 1,6% nach Steuern bei der Unternehmerin verbleiben. Vorteil: 1,1%-Punkte p. a.! Hier macht der Fondsverkauf also Sinn. Der defensiv ausgerichtete Mischfonds hat – so die Detailanalyse des Beraters – ca. 15% Aktien im Portfolio. Aus diesem Fonds sind also relativ geringe (steuerfreie) Aktien-Kursgewinne zu erwarten. Dafür hat der Fonds in seinem Rentenportfolio stark von den Kursgewinnen der letzten 24 Monate profitiert. Jetzt besteht die Gefahr, dass ein baldiger Zinsanstieg die Kursgewinne „vernichtet“. Und mit Blick auf die hohen Fondskosten von 1,6% gilt auch hier: besser verkaufen. Hinzu kommt: Es ist ein ausländisch thesaurierender Fonds. Seit 2009 sammelt der Fonds „ausschüttungsgleiche Erträge“ an. Diese stammen aus Zinsen und Dividenden der Fonds-Wertpapiere. Frau Schirandow versteuert diese (von ihr unbemerkt) jedes Jahr im Rahmen ihrer Steuererklärung – die Erträge fließen ihr aber nicht zu. Beim Verkauf des Fonds nimmt der Fiskus als Besteuerungsgrundlage die Differenz aus Verkaufskurs und Ankaufskurs. Folglich werden die bereits seit 2009 automatisch versteuerten Erträge nochmals versteuert. Erst im Rahmen der Jahressteuererklärung kann diese Doppelbesteuerung rückgängig gemacht werden. Allerdings kostet das häufig viel Aufwand. Das Finanzamt verlangt den Nachweis, in welchen Jahren welche Erträge von diesem Fonds versteuert wurden. Wenn Frau Schirandow den Fonds noch zehn oder mehr Jahre hält, ist der Nachweis entsprechend lang – und z. T. schwierig, wenn die Zahlen aufbereitet werden müssen. Von der Altregelung profitieren besonders Fonds, die diese Kriterien erfüllen: hoher Anteil an Kursgewinnen, gutes Fondsmanagement, im Vergleich zu Indexfonds (ETF) keine zu hohen Kosten, die den Steuervorteil absorbieren, ausschüttende Tranche, wenn ausländisches Fondsdomizil. Diese Fonds sollten möglichst im Bestand gehalten werden oder die „letzte“ Wahl sein, wenn Wertpapiere veräußert werden müssen.Fazit: Fonds mit hohem Anteil an Zinsen und Dividenden profitieren dagegen wenig vom alten Steuerprivileg. Wenn dann noch schlechtes oder durchschnittliches Management, hohe Kosten und eine nachteilige Steuerkonstruktion hinzukommen, sollten die Altfonds trotz Steuerprivileg zwecks Detailprüfung auf die Agenda.