Nicht-Meldung mit Folgen
Kämpft die Bundesbank jetzt im Gewerkschaftslager? Die Geschichte eines (bewussten?) Missverständnisses.
Die Bundesbank empfiehlt weiterhin die traditionelle Lohnfindungsformel Inflation + Produktivitätszuwachs. Sie hat, so versichert sie uns, mit Blick auf die deutsche Tarifpolitik keine neue Position eingenommen. Das gilt es nach dem (medialen) Sommergewitter in den letzten Tagen um einige Äußerungen des Bundesbank Spitzenpersonals klarzustellen. Die Geschichte eines (bewussten?) Missverständnisses in der Rückschau. Erst zitierte der Spiegel in der vorletzten Woche den Bundesbank-Chefökonomen Jens Ulbrich mit der an die Gewerkschaften gerichteten Aufforderung, „den volkswirtschaftlichen Verteilungsspielraum aus Produktivitäts- und Preiszuwächsen voll auszuschöpfen“. Die Lohnformel sieht aufgrund der aktuellen mittelfristigen Projektionen für Inflation (2%) und Produktivität (1%) Lohnsteigerungen um rund 3% vor. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Interview-Äußerung von Jens Weidmann schaffte keine Klarheit, sondern sorgte für die nächste Irritation. Der Bundesbank-Präsident sah sich durch den Wirbel um die Äußerungen seines Chefökonomen zu einer Richtigstellung genötigt. Im Gespräch mit der FAZ bestätigte Weidmann zwar lediglich noch einmal Ulbrichs Position. Doch jetzt nahm das Handelsblatt die Diskussion zum Anlass, Weidmann eine „geheime Agenda“ nachzusagen, er wolle Spielraum bei der Lohndebatte eröffnen, um damit die EZB davon abzubringen, Anleihenkäufe zu tätigen (QE). Die BuBa war von der Wucht der Debatte selbst überrascht, hören wir aus Frankfurt. Eine Kampagne für Lohnerhöhungen und eine Einmischung in die Tarifautonomie, wie sie einige aus dem Arbeitgeberlager beobachtet haben wollen, ist jedenfalls nicht zu erkennen. Das durch die Medien getragene Missverständnis wird dennoch Folgen für die Tarifpolitik haben. Denn in der Öffentlichkeit ist die Botschaft „Sogar Bundesbank plädiert für höhere Löhne“ hängen geblieben. Die Gewerkschaften werden sie bei der nächsten Lohnrunde wieder hervorholen. Die explizite Warnung von Weidmann, dass „Lohnabschlüsse, die deutlich über einen produktivitätsorientierten Anstieg hinausgehen, Wachstum und Beschäftigung in Deutschland schaden“ würden, wird dann in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr präsent sein.
Fazit: Im Kern hat die Bundesbank nichts anderes gesagt, als das, was die Tarifparteien schon seit längerem praktizieren. Lohnsteigerungen um 3% sind mit Blick auf Preisstabilität und die gute Konjunktur sinnvoll und verkraftbar. Die Aufregung um diese harmlose Meldung zeigt, dass es nicht auf die Botschaft, sondern ihre Rezeption ankommt. Ein Paradebeispiel auch für Unternehmer, wie wichtig gute Kommunikation ist.