Die deutsche Wirtschaft kann sich nicht auf weiterhin konstant hohe Einwanderungsströme verlassen. Die momentan rekordhohe Zuwanderung nach Deutschland (Migrationssaldo 2013: +437.000 Menschen) hilft etlichen Unternehmen zwar dabei, den eigenen Fachkräftemangel etwas zu dämpfen. Die Zuwanderung könnte sich aber sehr schnell wieder abschwächen.
Migrationsströme unterliegen starken Schwankungen und sind langfristig nicht berechenbar. Daher verzichtet das Statistische Bundesamt (Destatis) beispielsweise inzwischen darauf, den Migrationssaldo länger als zwei bis drei Jahre im Vorfeld zu prognostizieren. Alles andere sei schlicht unseriös, sagen uns die Experten. Finanzkrisen, politische Veränderungen (z. B. EU-Erweiterungspolitik) und Kriege würden kurzfristig zu teils heftigen Veränderungen bei den Migrationsströmen führen.
Diese Erkenntnis wiegt um so schwerer, weil das hohe Einwanderungsplus für Deutschland ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. So kommen verschiedene Untersuchungen zu dem Schluss, dass der hohe Wanderungssaldo rund 10% des durchschnittlichen Wirtschaftswachstums in den letzten vier Jahren (real +2,1%) ausgemacht hat. Im Klartext: Ohne die Zuwanderer wäre das BIP-Wachstum seit 2010 pro Jahr um ca. 0,2 Prozentpunkte niedriger ausgefallen. Außerdem hilft die momentane Zuwanderungswelle Deutschland auch strukturell, da die meisten Zuwanderer jünger sind als die Auswanderer.
Auch den demografischen Wandel kann die Migration nicht stoppen. Selbst wenn der Zustrom an Menschen auf dem aktuell hohen Niveau verharren würde, würde das nicht ausreichen, die langfristig absehbaren Folgen des demographischen Wandels (Belastung der Sozialkassen, Arbeitskräfteverknappung) dauerhaft auzugleichen. Denn die deutsche Bevölkerungsentwicklung weist – wie in „alten“ Gesellschaften üblich - ein sogenanntes natürliches Minus auf. Das ergibt sich aus der Geburtenrate (Fertilität) und der Lebenserwartung (Mortalität). Dieser Saldo lässt sich im Vergleich zur Migration sehr gut und auch langfristig prognostizieren, weil er kaum heftige Schwankungen aufweist. Doch selbst in einem optimistischen Szenario mit einer steigenden Geburtenrate würde das Geburtendefizit in Deutschland bis 2030 auf rund 400.000 pro Jahr anwachsen – bis 2060 könnte es sogar auf 600.000 ansteigen (siehe Chart).
Ab 2009 Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausrechnung; "mittlere" Bevölkerung Obergrenze | Quelle: Statistisches Bundesamt
Fazit: Diese Erkenntnisse sollten Unternehmen in ihrer strategischen Personalplanung berücksichtigen. Momentan profitiert Deutschland von Zuwanderung und eine hohe Einwanderung kann dabei helfen, Personal zu rekrutieren. Es besteht für Unternehmen aber das Risiko, dass aus dem Ausland gewonnene Mitarbeiter schnell in ihr Heimatland zurückgehen, wenn sich die Lage dort wieder verbessert. Davor kann nur eine möglichst starke Integration hierzulande schützen.