Geringere Hürden beim Praxisverkauf
Der BFH macht es Freiberuflern leichter, ihre Praxis zu veräußern. Eine starre zeitliche Grenze, nach der die Tätigkeit steuerunschädlich wiederaufgenommen werden kann, besteht nicht. Dementsprechend ist auch keine „Wartezeit“ von mindestens drei Jahren einzuhalten. Grundsätzlich unschädlich ist es, wenn der Veräußerer als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig wird. Auch eine geringfügige Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung nicht entgegen. Und zwar auch dann nicht, wenn sie die Betreuung neuer Mandate umfasst. Das stellte der BFH in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach summarischer Prüfung fest.
Hintergrund: Freiberufler können ihre Praxis nur dann steuerbegünbstigt veräußern, wenn sie einige Voraussetzungen erfüllen. So müssen die für die Ausübung wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen übertragen werden. Gemeint sind insbesondere die immateriellen Wirtschaftsgüter wie Mandantenstamm und Praxiswert. Die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis muss wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt werden.
Mandatenstamm muss übertragen werden
Die „definitive“ Übertragung des Mandantenstamms lässt sich erst nach einem gewissen Zeitablauf abschließend beurteilen. Sie hängt von den objektiven Umständen des Einzelfalls ab, die das Finanzgericht zu würdigen hat. In Betracht kommen als solche Umstände etwa die räumliche Entfernung der wieder aufgenommenen Berufstätigkeit zur veräußerten Praxis, die Vergleichbarkeit der Betätigung, die Art und Struktur der Mandate, eine zwischenzeitliche Tätigkeit des Veräußerers als Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter des Erwerbers sowie die Nutzungsdauer des erworbenen Praxiswerts.
Das Erfordernis einer zeitweiligen Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit beruht auf der Überlegung, dass bei fortdauernder Tätigkeit des Freiberuflers in seinem bisherigen örtlichen Wirkungskreis eine weitere Nutzung der persönlichen Beziehungen zu den bisherigen Kunden auf eigene Rechnung des "Veräußerers" nahe liegt. Dadurch kommt es faktisch nicht zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis auf den Erwerber.
Steuerberater verkaufte und stieg wieder ein
Im Urteilsfall verkaufte ein Steuerberater seine Steuerberaterkanzlei an zwei Erwerber. Die beiden nutzten u.a. den erworbenen Mandantenstamm im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft. Der veräußernde Steuerberater war wiederum zu 1% an der Partnerschaftsgesellschaft beteiligt. Er sollte dort zunächst unentgeltlich im Rahmen einer sog. überleitenden Tätigkeit und anschließend als freier Mitarbeiter weiter als Partner für die Gesellschaft tätig sein.
Nach zweieinhalb Jahren schied der Veräußerer gegen eine Abfindung zum Buchwert aus der Partnerschaftsgesellschaft aus. Anschließend nahm er von seinem häuslichen Arbeitszimmer aus in geringem Umfang wieder eine steuerberatende Tätigkeit auf. In deren Rahmen betreute er auch neue Mandate.
Fazit: Der BFH entschied ausdrücklich gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, wonach die Hinzugewinnung neuer Mandate/Patienten innerhalb der „gewissen“ Zeit nach Betriebsaufgabe in jedem Fall steuerschädlich sein soll.
Urteil: BFH Az. VIII B 131/19