Achtung, Unternehmer: Das gestern im Vermittlungsausschuss ausgehandelte Erbschaftsteuergesetz gilt rückwirkend ab 1. Juli! Übertragungen, die nach diesem Zeitpunkt vorgenommen wurden, fallen also unter das neue Recht. Unternehmer müssen ggf. in der Zwischenzeit erfolgte Übertragungen überprüfen lassen. Positiv für Unternehmer: Die Erwerbsschwelle von 26 Mio. Euro bleibt bestehen.
Der neue Kapitalisierungsfaktor soll seit dem 1. Januar Anwendung finden. Durch diese unerwartete Rückwirkung können viele Unternehmen, die seit Jahresanfang Unternehmensvermögen übertragen haben, nachträglich durch den Verwaltungsvermögenstest fallen. Der Faktor wird zudem – für die SPD gesichtswahrend – von 12 auf 13,75 erhöht.
Vom tatsächlichen Wert der meisten Unternehmen ist das immer noch weit entfernt. Pawel Blusz, Rechtsanwalt und Steuerberater bei Flick Gocke Schaumburg, empfiehlt im Regelfall eine separate Bewertung von Unternehmen, um einen niedrigeren Wert nachzuweisen. Es gebe aber auch eine positive Kehrseite des höheren Kapitalisierungsfaktors, so Blusz. Die Bezugsgröße für die Verwaltungsvermögensquote und den Finanzmitteltest ist damit höher. Unternehmen dürfen also absolut mehr Verwaltungsvermögen und Finanzmittel im Unternehmen haben.
Es gibt aber einen weiteren gravierenden Haken. Die Festschreibung eines festen Prozentsatzes für Entnahme- und Ausschüttungsbeschränkungen erfordert eine Überprüfung und ggf. Anpassung aller Gesellschaftsverträge von Familienunternehmen. Denn der Abschlag von 30% wird nur dann gewährt, wenn u. a. die Entnahme- und Ausschüttungsbeschränkungen mindestens zwei Jahre vor der Übertragung im Gesellschaftsvertrag verankert waren.
Blusz empfiehlt, mit der Nachfolgeplanung unverzüglich zu beginnen. So können Sie die Vorfrist von zwei Jahren rechtzeitig in Gang setzen und die Erwerbschwelle von 26 Mio. Euro ggf. alle zehn Jahre in Anspruch nehmen. Erwerber, die künftig die Verschonungsbedarfsprüfung bestehen und 100% Steuerbefreiung erhalten, müssen gemeinsam mit dem Schenker/Erblasser zudem sicherstellen, dass sie im Todesfall innerhalb der nächsten zehn Jahre nach Schenkung kein Privatvermögen erhalten. Sonst fällt die Steuerbefreiung weg. Auch ist die Neuregelung immer noch nicht eindeutig verfassungsgerecht. Die nächste Klage in Karlsruhe ist quasi schon ins Gesetz eingebaut.
Fazit: Die Nachfolge nach dem neuen ErbStG wird künftig eine deutlich längerfristige Planung und komplexere Prüfung erfordern. Die Forderung von ifo-Chef Clemens Fuest könnte morgen wieder auf die Agenda kommen: Es wäre besser, 8% auf jede Form von Vermögen zu erheben – egal ob Firmen, Immobilien, Aktien, Bargeld oder andere Arten.