Die technische Gegenreaktion der Märkte kommt nicht richtig ins Laufen. Zwar hält die wichtige Marke von 9.300 Punkten im DAX. Auch an der US-Börse kann der Dow Jones seine kurzfristig wichtige Unterstützung bei 15.800 bis 16.000 noch verteidigen. Es scheint gerade aber so, als warteten die meisten Händler einfach darauf, dass die Märkte diese Hürden reißen und kräftig nach unten rutschen. Das ist sicher auch ein Grund dafür, dass die Kurse von Staatsanleihen weiter steigen. Die deutsche 10-jährige rentiert nur noch mit 0,32%.
Auffällig beim Blick auf den DAX: Der Index wird aktuell nur von wenigen Werten getragen. Dazu zählen z. B. Adidas, Münchner Rück oder SAP. Etliche andere Aktien, voran die Zykliker, sind bereits spürbar gerutscht. Viele von ihnen haben gegenüber ihren vorigen Tiefkursen sogar schon neue Tiefpunkte in der Kursentwicklung markiert.
Das aktuelle Dilemma für Anleger besteht im „WSV-Effekt“. Denn an der Börse herrscht gerade eine ähnliche Situation wie vor dem Winterschlussverkauf. De facto sind viele Aktien – insbesondere in Deutschland – fundamental günstig bewertet. Eigentlich finden Value-Anleger Kaufkurse vor. Gegen ein mutiges Zugreifen spricht jedoch die Annahme, dass es schon binnen Kürze noch billiger werden könnte. Also entschließen sich Anleger zum Warten. Darum haben die Aufwärtsbewegungen momentan keine Kraft.
Zugleich haben viele Anleger die Sorge, die günstigsten Einstiegskurse zu verpassen. Geht es also mit den Börsen ein Stück aufwärts, springen sofort einige Anleger auf den Zug auf. Gut sichtbar wurde das zuletzt bei den Rohstoffwerten und beim Öl. Der Ölpreis ist zuletzt kräftig gestiegen. Unser Einstieg war zeitlich perfekt. Aber auch andere Rohstoff-Werte wie Glencore, Vale oder einig Goldwerte schossen teilweise um 6 bis 7% nach oben. Das spricht dafür, dass hier die Bodenbildung begonnen hat. Es gibt nicht mehr viele Verkäufer und die Nachfrage trifft auf wenige gebende Hände. Das treibt die Kurse dieser Papiere kräftig nach oben.
Die Risiken im Rohstoffsektor sind trotz der Preisanstiege noch nicht aus der Welt. Insbesondere die Banken rund um den Globus stehen deswegen unter Druck. Hier gibt es inzwischen Hochrechnungen, wie viele Kredite die Geldhäuser an den Rohstoffsektor ausgeliehen haben. Ein guter Teil davon dürfte ausfallgefährdet sein, wenn die Rohstoffpreise lange niedrig bleiben. Das ist auch der Grund, warum die Börse derzeit über steigende Rohstoffpreise jubelt. Dahinter steht die Hoffnung, dass sich das Ausfallrisiko bei Rohstoff-Unternehmen und Banken potenziell reduziert.
Fazit: Der DAX ringt zum Redaktionsschluss um die wichtige Marke von 9.300 Punkten. Kann er sie halten, bleibt die Seitwärtsrange bestehen (zwischen 9.300 und 10.500 Punkten). Taktische Anleger kaufen am unteren Ende und verkaufen am oberen Rand. Value-orientierte Strategen können nur abwarten oder fundamental gut bewertete Aktien „aus Überzeugung“ kaufen und sich mental gegen größere Schwankungen immun machen – wohl wissend, dass es manchmal einen Unterschied zwischen Preis und Wert eines Gutes gibt.