In der Abseitsfalle
Wohin sich die Börse entwickelt, ist immer noch nicht klar. Das verlangt Anlegern viel Geduld ab.
Am Anleihenmarkt ist es extrem stürmisch. Die Renditen für deutsche Staatsanleihen sind nach dem jüngsten EZB-Treffen nochmals kräftig unter Druck geraten. Fast haltlos stürzt die 10-Jährige auf die magische Null-Linie zu. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Rendite negativ ist. Laufzeiten bis zu neun Jahren werfen nur noch negative Zinsen ab. Dagegen schleppt sich die Schaukelbörse weiter richtungslos dahin. Gegenüber der Vorwoche steht der Deutsche Aktienindex (DAX) praktisch unverändert da. Selbst der Dow Jones, der sich Zähler für Zähler an die Marke von 18.000 Punkten nach oben gekämpft hat, konnte dem DAX keinen kräftigeren Auftrieb geben. Die institutionellen Anleger warten weiter fast reglos an der Seitenlinie. Sowohl die Fed-Entscheidung nächsten Mittwoch als auch das Brexit-Votum übernächsten Donnerstag können die Märkte grundsätzlich drehen. Das Problem ist: Die Richtung ist unabsehbar, darum sind Positionierungen schwierig. Es gilt das Mikado-Motto: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Für die Anlagepraxis ist das unkomfortabel, denn jeder Kauf oder Verkauf kann falsch sein. Mit dieser Problematik haben wir in den vergangenen Tagen für Sie wieder einmal einige Banken und Vermögensverwalter konfrontiert und nach deren Rat gefragt. Deren überwiegende Antwort: Die Entscheidungen und die folgende Börsenrichtung abwarten und erst dann handeln. Die Mehrheit der von uns befragten Profis geht auch davon aus, dass die Börsen nach den relevanten Terminen eine relativ kräftige Bewegung machen. Darum fühlen sich einige institutionelle Investoren derzeit auch unwohl. Aktien jetzt präventiv zu verkaufen, scheint wenig sinnvoll. Denn wenn die Börsen nach oben springen, kommen Anleger nicht mehr gut in den Markt. Darum sollten Positionen lieber gehalten werden. Rutschen die Märkte aber, verrauchen aufgelaufene Gewinne und die Depottitel rutschen ins Minus. Allerdings sind konsequente Stopp-Orders auch schlecht zu platzieren. Denn entweder sind sie sehr eng am aktuellen Kurs orientiert – oder eben weit davon entfernt. Dann schützen sie aber nicht vor Verlusten. Mittel der Wahl: Absicherungsstrategien per Put-Optionsscheinen oder Short-Zertifikaten. Solche Produkte würden einen Rücksetzer abfangen. Stürmen die Märkte nach oben, lassen sich solche Positionen wieder zügig glattstellen. Perspektivisch machen wir uns über den Laufweg der US-Notenbank Sorgen. Erhöht die Fed die Zinsen nicht auf der nächsten Sitzung, kommt sie für die folgenden Termine unter selbst gesetzten massiven Zugzwang. Der wird allerdings dadurch konterkariert, dass die US-Wirtschaft ihren Höhepunkt im Konjunkturzyklus offenbar schon hinter sich gelassen hat. Insofern läuft die Fed der Konjunktur hinterher, hat wenig Handlungsspielraum. Wenn das die Märkte erkennen, hat der Dow erhebliches Rückschlagpotenzial.
Fazit: Die Börsen stehen vor der Fed-Entscheidung und dem Brexit-Votum in der Abseitsfalle. Wer nicht im Tagesrhythmus traden will, sollte die Füße noch ein paar Tage stillhalten – auch wenn es allmählich nervt oder schwerfällt.