Fast 200 Millionen Bußgelder
Unternehmen haben schneller ein Kartell gebildet, als sie ahnen. Hinzu kommt, dass die „Aufdeckung“ immer häufiger aus den eigenen Reihen kommen. Das Risiko wächst.
Unternehmer unterschätzen bei Preisabsprachen häufig die neuen Hebel der Kartellbehörden. Diese machen sich Denunziation und die Möglichkeit, Straffreiheit zu gewähren, inzwischen kräftig zunutze. Zum einen werden die Märkte heute von Mitbewerbern und Handel auf Preismanipulationen hin sorgfältig beobachtet. Zum anderen erweisen sich innerbetriebliche Kollisionen (Maßregelungen, Kündigungen) als ergiebige Quelle für kartellamtliche Informationen. Unternehmen selbst nutzen Absprachen aller Art nicht selten zu regelrechten Schädigungsfeldzügen. Man tritt der Absprache in der Absicht bei, sie bei nächster Gelegenheit dem Kartellamt aufzudecken. Das Unternehmen geht dann straffrei aus und kann die Konkurrenz auf diese Weise kräftig schädigen. Das Kartellamt geht, wenn es Substanz erkennt, auch jeder Art von anonymer Denunziation nach. Eigens dafür eingerichtet wurde ein „elektronisches Hinweisgebersystem“ im Digitalbereich. Früher ließ man anonyme Anzeigen unbeachtet. Auch im abgelaufenen Jahr sind immer wieder horizontale und vertikale Preisabsprachen aufgeflogen. Betroffen waren u. a. die Hersteller von Matratzen, Fertiggaragen, Lebensmitteln, aber auch Autozulieferer und Containertransporte. Auch mittelständische Unternehmen müssen in solchen Fällen Bußen von im Durchschnitt nicht unter 15 Mio. Euro zahlen (wie jüngst sechs Autozulieferer). In elf Fällen verhängte das Bundeskartellamt 2015 rund 190 Mio. Euro an Bußen. In nahezu allen Fällen hatte das Kartellamt vertrauliche Hinweise von Dritten bekommen. Die Folge waren 18 von Kripo und Staatsanwaltschaft unterstützte Durchsuchungen (auch privater Wohnungen) bei insgesamt 88 Unternehmen und Adressen. Der Kartellbegriff ist weit gefasst. Er umfasst die gesamte Skala preisbeeinflussender Faktoren des Ein- und Verkaufs, also auch Rabatte, Konditionen, „Rohstoffzuschläge“, Gebietsabsprachen und selbst die Schließung von lokalen Vertriebskanälen „auf Gegenseitigkeit“. Auch die immer wieder versuchten Vertikalabsprachen, bei denen unverbindliche Preisempfehlungen „mit sanftem Druck“ in Preisbindungen verwandelt werden, führen umgehend zu teuren Geldbußen.
Fazit: Es sind nicht nur die unmittelbaren Bußen, an die Unternehmen zu denken haben, sondern stets auch die negative Imagewirkung.