Hier können Sie zwischen der Ansicht für Geschäftskunden und Privatkunden wechseln.
Informationen und qualifizierte Einschätzungen zu Chancen und Risiken
030-288 817-20
Geschäftskunde
Privatkunde
0,00 €
1038
Verzwickte Lage für die Unionsparteien

Manfred Webers Alleingang bei Nordstream 2

Europa first – wohin das führen kann, zeigt gerade die Kampagne des Unions-Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Manfred Weber (CSU). Er will die Gaspipeline Nordstream 2 mit allen verfügbaren Mitteln stoppen – wenn er Kommissionspräsident wird. Das stürzt nicht nur die Bundesregierung in ein Dilemma.

Der deutsche Spitzenkandidat der EVP, Manfred Weber (CSU), sorgt in Berlin für heftige Irritationen. Sowohl in den eigenen Unions-Reihen als auch speziell in der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der Wirtschaft. Der Kandidat der gemäßigten konservativen Parteien bei der Europawahl am 26. Mai will sich mit einer Breitseite gegen Nordstream 2 für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Kommissionpräsident beliebt machen. Nicht in Deutschland, aber in Frankreich, Griechenland und vor allem den osteuropäischen Staaten und auch dem Baltikum. Den Ländern also, die als Gegner des seit langem umstrittenen, aber auch in Brüssel politisch eigentlich entschiedenen Projekts gelten.
Weber will als möglicher nächster Chef der Brüsseler Behörde „mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln" den (schon fortgeschrittenen) Bau der Pipeline stoppen. So viel Opportunismus und Zuspitzung hat dem als ausgleichenden Charakter geltenden Weber kaum jemand zugetraut. Zu Jahresbeginn hatte Kanzlerin Angela Merkel mit Mühe Frankreich wieder auf ihre Seite gezogen. Paris hatte sich im Februar gegen das (fast fertige) Projekt gestellt. Folglich ist Merkel überhaupt nicht amüsiert über Webers Vorstoß, der – so ist zu hören – nicht mit der Regierungschefin abgestimmt war. Zur Erinnerung: Merkel hatte mit dem Verzicht auf das Spitzenamt bei der EZB der Kandidatur Webers für den Spitzenposten bei der Kommission den Vorzug gegeben.

Gespaltener Bundestag

Die SPD im Bundestag steht weiter hinter dem Projekt. Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der „Genosse der Bosse" hatte es einst mit angeleiert. Für sie ist das Ganze zudem politisch ein gefundenes Fressen. Denn die Unionsfraktion ist zweigeteilt. Sie will „ihren" Kandidaten in Europa nicht beschädigen und stellt sich öffentlich hinter seinen Kurs „Europa first". Andererseits weiß man insbesondere im straken Wirtschaftsflügel um die Brisanz von Webers Vorstoß.

Alarmierte Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft ist jedenfalls alarmiert. Denn Nordstream 2 ist mehr als ein Politikum. Deutschlands Energiesicherheit ist durch die Energiewende und deren schon fahrlässige Behandlung im zuständigen Wirtschaftsministerium gefärhdet. Einerseits koppelt sich Deutschland von immer mehr fossilen Energieträgern und der zumindest CO2-neutralen Kernenergie ab. Andererseits können noch so viele Windkraftgeneratoren und Sonnenkollektoren nicht für Energiesicherheit sorgen. Dazu braucht Deutschland ein zweites (Sicherheits-)Netz. Und das muss mangels Alternativen mit Gas versorgt werden.

Gas ist energiepolitisch weiter alternativlos

Das teure amerikanische Flüssiggas ist keine Alternative. Es würde die Energiekosten nur zusätzlich verteuern. Auch umweltpolitisch ist der Rückgriff auf Flüssiggas ein Treppenwitz. Die USA nutzen das umstrittene Fracking-Verfahren, um den LNG-Ausgangsstoff, Erdöl, zu gewinnen. Ein Stopp nach 25 Jahren Planungs- und Bauzeit würde auch nicht das Vertrauen in Europas Verlässlichkeit stärken.
Andererseits gewinnt die politische Dimension der Pipeline nach dem Wahlausgang in der Ukraine an Kraft. Denn Kiew ist der große politische Verlierer des bisherigen europäischen Kompromisses. Dieser sieht zwar vor, dass der Gastransit durch die Ukraine in nennenswertem Umfang bestehen bleibt. Aber tatsächlich hat Kiew nicht mehr die Hand am Drücker, was die russischen Gaslieferungen angeht. Und mit der Wahl des unerfahrenen Komikers Wolodymyr Selenskyj ist die Ukraine mehr denn je den geostrategischen Machtambitionen von Russlands Präsident Wladimir Putin ausgeliefert. Das macht die Sache fürs Kanzleramt so verzwickt.

Energiepolitische Naivität im Bundeskabinett

Aus den Reihen der Regierungsspitze kommen öffentlich bisher keine oder nur laue Entgegnungen. Dass Nordstream immer wieder „als ein Projekt der deutschen Wirtschaft" bezeichnet wird, kann da niemanden beruhigen. Denn das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Kanzleramt bzw. Wirtschaftsministerium ist angespannt.

Fazit

Die Naivität, mit der Deutschlands Energiesicherheit in Politik, aber auch Teilen der Presse behandelt wird, erschreckt. Dass ausgerechnet die Unionsfraktion bereit ist, ein strategisch zentrales Projekt hinter Webers kurzfristige politische Ambitionen zu stellen, schafft ebenfalls kein Vertrauen in die „Politik der Mitte".

Meist gelesene Artikel
  • Immer eine Spur schlauer

Die FUCHSBRIEFE feiern 75. Geburtstag

FUCHSBRIEFE-Herausgeber Ralf Vielhaber. © Foto: Verlag FUCHSBRIEFE
Am 23. September 1949 – genau heute vor 75 Jahren – erschien die erste Ausgabe der „Bonner Privat-Informationen“ – Ihnen besser bekannt als FUCHSBRIEFE. Der Verlag befand sich damals in der Kölner Straße 90 in Bonn. Wenig später zog Gründer Dr. Hans Fuchs in die Koblenzer Straße nach Bonn Bad Godesberg. Zu Ostern 1960 gab er den FUCHSBRIEFEN ihren heutigen Namen. Unser Brief ist also so alt wie die Republik. Ein Rückblick aus Anlass des Jubiläums „erdet“, findet Herausgeber Ralf Vielhaber
  • Umgehung von Sanktionen weitet sich aus

Russland 2025: Steigende Ölpreise und sinkende Defizite

Russland steht 2025 vor einer bemerkenswerten Stabilisierung seiner öffentlichen Finanzen. Dank steigender Ölpreise und sinkender Haushaltsdefizite wird das Land voraussichtlich in der Lage sein, seine Fiskalausgaben auszugleichen. Eine Analyse des Instituts für internationale Finanzen (IIF) zeigt auf, dass Russland seine ökonomische Abhängigkeit vom Öl geschickt nutzt, um das Budget trotz anhaltender Sanktionen zu stabilisieren.
  • Fuchs plus
  • TOPs 2025 Auswahlrunde UBS Europe SE

UBS Europe spielt in der obersten Liga

Den Ruhestand planen und sichern. Darum geht es im diesjährigen Markttest Private Banking der FUCHS|RICHTER Prüfinstanz. © Mottobild entworfen und erstellt von Redaktion FUCHSBIREFE mit KI (DALL*E)
„Es reicht nicht, nur Ihr Portfolio zu verstehen. Die wahre Kunst besteht darin, Ihre Welt zu verstehen.“ Mit diesem wirklich treffenden Satz auf der Website von UBS in Deutschland und der Bemerkung „Banking ist unser Handwerk“ fühlt sich der potenzielle Kunde, der 1,75 Millionen Euro aus einer Lebensversicherung gut für seinen Ruhestand anlegen will, herzlich willkommen – und verstanden. Schön, wenn es so weitergeht.
Neueste Artikel
  • Fuchs plus
  • Der Immobilien-Superzyklus: Der Aufwärtstrend geht weltweit weiter

Immobilien trotzen der Krise: Warum der Markt weiter boomt

Der Markt für Wohnimmobilien zeigt sich widerstandsfähig gegenüber Krisen, Zinserhöhungen und Konjunkturschwankungen. Obwohl in einigen Ländern die Preise eingebrochen sind, erholt sich der Markt weltweit schnell. Langfristige Faktoren wie Demografie, Urbanisierung und Infrastruktur verstärken diesen Trend. Investoren sollten jetzt aufmerksam hinschauen, denn die Nachfrage nach Wohnraum wird in den kommenden Jahrzehnten weltweit weiter steigen. Doch es gibt auch Gegenanzeigen.
  • Fuchs plus
  • Ernte-Revisionen in Brasilien und Vietnam

Kaffee-Preis lockt zum Einstieg

Der Kaffeepreis zieht seit einem Jahr nach oben. Doch gerade wird die braune Bohne etwas günstiger. Ist der Aufwärtstrend nun vorbei? Wohl eher nicht: Es deutet einiges darauf hin, dass der Rücksetzer eine gute Kaufgelegenheit ist
  • Fuchs plus
  • Ölpreise reagieren auf Nahost-Spannungen

Öl: Unterschätzte Preis-Risiken

Die Ölpreise reagieren auf die wachsenden Spannungen im Nahen Osten. Allerdings sind sich viele Marktexperten einig, dass es kein Potenzial für steigende Öl-Preise gibt. FUCHS-Devisen sehen das anders - aus gutem Grund.
Zum Seitenanfang