Die Grünen greifen die SPD an
Die SPD – in Umfragen inzwischen unter der 20%-Marke – droht noch weiter abzustürzen. Der Grund: Die Grünen greifen an. Mit der zu erwartenden Wahl von Robert Habeck zum starken Mann in der Führung wird die Bundesdelegiertenkonferenz am Freitag und Samstag in Hannover die personelle und thematische Neujustierung der Partei anstoßen.
Habeck steht für diese Erneuerung. Das attestierte ihm bereits im Vorfeld der politische Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Habeck ersetzt Cem Özdemir, dürfte aber dank seines Charismas bundesweit deutlich stärkere Akzente von Berlin aus setzen. Wer neben ihm anstelle der blassen Simone Peter stehen wird, ist zweitrangig. Ist es Nachwuchstalent Annalena Baerbock, wäre der Aufbruch personell akzentuierter als mit der dogmatischen niedersächsischen Wahlverliererin Anja Piel.
Zu Lasten der Volksparteien
Der Neue steht für die bessere Verknüpfung von Ökologie und Ökonomie. Er bedient sowohl die grüne Kernklientel, als auch den rechten gewerkschaftlichen Rand der SPD bis hin zum linken akademischen von CDU/CSU. Die thematischen und personellen Schwächen der SPD mit Martin Schulz werden künftig noch deutlicher.
Die Grünen treiben die Neuaufstellung der deutschen Parteienlandschaft mit an. Je „bunter" die Gesellschaft wird, je mehr sie diesbezüglich ihre Klammer verliert, desto wichtiger werden „große Themen" oder Führungspersönlichkeiten für die Erfolge der Parteien.
Das jahrzehntelange Erfolgsmodell Volkspartei wirkt zunehmend anachronistisch. Obendrein hat die besonders in der Spitze aus Akademikern und Angestellten bestehende SPD die Tuchfühlung zur Arbeiterschaft verloren. Ihre aktuellen Themen (bzw. der Behandlung) sind nicht die ihrer alten Wählerschaft. Sie lädt dazu ein, sich bei ihr zu bedienen, Wähler abspenstig zu machen.
Wachstum der „Klein-Parteien"
Auffällig ist, dass die „Klein-Parteien" mit Themen wachsen, die breitere Schichten als „zentral" empfinden. Die „neuen Grünen" mit dem Thema Versöhnung von Ökologie und Ökonomie, das besonders die akademische, bürgerliche Mittelschicht anspricht. Die FDP mit Zukunftsorientierung und freiheitlicher Gesellschaft; das sichert ihr zumindest einen festen Wählerstamm. Die AfD mit einem Gegenentwurf in der Flüchtlings- und Europapolitik. Die Linke mit dem Thema Gleichheit als Spielart von „Gerechtigkeit".
Die SPD hat thematisch derzeit nichts anzubieten. Die Union immer weniger. Beide Volksparteien wirken rückwärtsgewandt. Ihr Thema ist in verschiedenen Versionen „den Status halten" – aber das passt nicht eine Zeit radikaler (gesellschaftlicher) Veränderungen.
Allseits koalitionsfähig
Die neuen Grünen unter Habeck werden bundespolitisch allseits koalitionsfähig sein. Und sehr flexibel – wie schon die verschiedenen Landesregierungsbeteiligungen zeigen. Dank der starken Präsenz im Bundesrat sind sie schon jetzt in der Lage, Bundespolitik deutlich mitzubestimmen.
Fazit: SPD und CDU müssen ihre Antwort auf die gesellschaftlichen Veränderungen geben und ihre Themen und Köpfe finden. Und klären, ob Volksparteien noch eine Zukunft haben.