Meuterei an der Basis
Die Verdi-Mitglieder haben den Erzieher-Schlichterspruchs abgelehnt und ihren Chef blamiert. Nun steht nicht nur Frank Bsirskes weitere Karriere in Frage.
Die Gewerkschaften fürchten vermehrt „Streiks von unten“. Anlass ist der GAU, den die Verdi-Leitung unter Frank Bsirske am Wochenende im Bereich Erzieher und Sozialarbeiter erlebte. Die Mitglieder lehnten den Schlichterspruch mit deutlicher Mehrheit ab. Nun sorgt sich nicht nur Verdi vor einem stärkeren Druck und einer Verselbständigung der Basis in Tarifkonflikten. Bisher galt die Regel, dass Abschlüsse der Gewerkschaftsführung akzeptiert wurden. Damit hat nun eine nicht unwichtige Tarifgruppe gebrochen. Nach wochenlangen Streiks und der Schlichtung steht man wieder am Anfang. Und ob mit Neuverhandlungen mehr herausgeholt werden kann, ist fraglich. Schwere Vorwürfe aus dem Gewerkschaftslager richten sich nun an den Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske. Ihm werfen die anderen Gewerkschaften vor, durch das Wecken zu hoher Erwartungen das Scheitern provoziert zu haben. Die Forderung von 10% im Durchschnitt lockte viele sonst nicht Streikwillige erstmalig zum Ausstand. Der dauerte dann auch ungewöhnlich lange und verprellte vor allem die Eltern. Die Enttäuschung über den Schlichterspruch ist umso größer. Dies einzufangen, wird schwer. Zumal die linke Minderheit innerhalb von Verdi nun massiv gegen die eigene Führung trommelt. Bsirske muss nicht nur um seine Wiederwahl im Herbst fürchten. Es besteht die Gefahr, dass das sorgsam austarierte Gleichgewicht zwischen Führung und Mitgliedern gestört bleibt und die Maximalisten künftig mehr zu sagen haben werden. Dann würde man auch als Verhandlungspartner unglaubwürdig. Die anderen Gewerkschaften beobachten die Entwicklung mit Stirnrunzeln. Sie selbst haben ihre Mitglieder (noch) in der Hand. Aber schon das Beispiel der GDL zeigte, dass angesichts guter Beschäftigungslage und Fachkräftemangels die Erwartungen in unrealistische Höhen wachsen, die mit möglichen Abschlüssen nicht mithalten können.
Fazit: Verdi muss den eigenen Laden wieder in den Griff bekommen. Falls dies nicht gelingt, können sich die Arbeitgeber auf mehr Streiks mit längerer Dauer einrichten. Das würde auch auf andere Gewerkschaften übergreifen.