Parteien: SPD sorgt für Wechselwillen
Sigmar Gabriels Rückzug zugunsten von Martin Schulz verbessert die SPD-Situation vor allem in NRW. Damit wird auch eine Machtoption für Berlin möglich.
Nun hat die SPD die Chance zum Turnaround bei den Umfragewerten. Und über den Hebel Nordrhein-Westfalen-Wahl könnte der neue und laut Umfragen sehr beliebte Spitzenkandidat Martin Schulz am Ende sogar der Kanzlerin (gefährlich) nahe kommen. Sigmar Gabriel hat somit richtig entschieden. Die Genossen in NRW hatten selbst nicht die Traute, ihm zur Nominierung von Schulz zu raten. Zu unwägbar schien ihnen das Ganze. Die größte Profiteurin von Sigmar Gabriels Befreiungsschlag ist NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die Hau-Schnau-Entscheidung des Ex-Parteichefs verbessert voran die Situation der Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen. Denn Schulz ist als Rheinländer einer der ihren. Er ist seit Langem der erste Bundesvorsitzende, der aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland stammt und zugleich Kanzlerkandidat ist. Kraft selbst hatte nach Insiderinformationen den SPD-Ex-Chef gebremst. Sie wollte vermeiden, dass Gabriel vor der NRW-Wahl (14. Mai) als Parteivorsitzender zurücktritt. Sie fürchtete Irritationen der Wähler. Doch nun ist die Lage plötzlich positiv verändert. Der Mehltau, der mit Gabriels vermuteter Kandidatur auf der gesamten SPD lag, ist wie weggeblasen. Kraft selbst muss nicht befürchten, nach einem Wahlerfolg nach Berlin gedrängt zu werden – was unausweichlich geschehen wäre. Siegt sie im Mai, bleibt die SPD im Bundesrat in der Vorhand. Und die Wahlkämpfer an der Front erhalten einen Motivationsschub. Das vermeintliche Handikap von Schulz, in der Bundeshauptstadt nicht verankert zu sein, wird sich als Vorteil erweisen. Er ist nicht in die Kabinetts- und Regierungsdisziplin eingebunden. Er kann – anders als Gabriel oder als Peer Steinbrück 2013 – richtig Opposition machen. Schulz kann wie ein kleiner Trump gegen das „Hauptstadt-Establishment“ wettern. Er hat ein Schrödersches Mundwerk – was ihm auf großer Bühne aber auch zum Verhängnis werden kann. Man wird den Mann aus Würselen aufgrund seiner Erfahrung in Brüssel auch nicht zum Provinzler abstempeln können, wie den Pfälzer Kurt Beck. Helfen wird der SPD auch der Wechsel von Frank-Walter Steinmeier ins Bundespräsidialamt. Er ist der personifizierte Beleg, dass der Einfluss der Union bundesweit nicht mehr für eine eigene Positionsbesetzung reicht. Schon Gauck war kein Wunschkandidat von Merkel. In Berlin heißt es, dass der alte Machttaktiker Gerhard Schröder den zaudernden Gabriel zum letzten Dienst an der Partei bewegt habe. Der Mann aus dem Harz selbst hatte bis zuletzt gehofft, die Wende in den Meinungsumfragen zu schaffen. Doch Schröder habe ihm brutal klar gemacht, dass er nach der zu befürchtenden Wahlniederlage im Herbst ohnehin vom Fenster weg gewesen wäre.
Fazit: Der Führungswechsel bei der SPD war zwar keine geplante Strategie. Im Ergebnis aber sieht es so aus, als ob die Partei dennoch für einen spannenden Wahlkampf mit Wechseloption sorgen wird.