China hat im Machtpoker um die Ansprüche im Inselstreit einen beachtlichen Erfolg erzielt. Von einem „wichtigen Konsens“ spricht Chinas Außenminister Wang Yi im laotischen Vientiane. Denn Laos, Kambodscha und das Sultanat Brunei wurden aus der Front der ASEAN-Staaten herausgebrochen. Die ASEAN selbst ist damit nicht mehr handlungsfähig.
Der „Kompromiss“ ist eine Kapitulation vor den Forderungen Chinas. Streitige Ansprüche sollen durch bilaterale Verhandlungen zwischen den beteiligten Staaten gelöst werden. Eine vermittelnde oder kontrollierende Rolle supranationaler Institutionen und Zusammenschlüsse wird abgelehnt.
Die drei kleinsten Mitglieder lähmen so die ASEAN im Inselstreit. Die direkt betroffenen Mitglieder Vietnam, Philippinen, Malaysia und Indonesien können von ihnen keine Hilfe mehr erwarten. China hatte nicht zuletzt im Hinblick auf den ausstehenden Schiedsspruch des von den Philippinen angerufenen Internationalen Gerichtshofs in Den Haag auf dieses Ergebnis hingearbeitet. Dieser wird Chinas Ansprüche auf das Scarborough-Riff höchstwahrscheinlich als haltlos zurückweisen. Dank der Schützenhilfe aus Laos, Kambodscha und Brunei kann China jetzt die Legitimität des Schiedsspruchs zumindest rhetorisch in Zweifel ziehen.
Die Konsequenzen dürften über den Inselstreit hinausgehen. So ist die Zukunft der zu Jahresbeginn gestarteten Asian Economic Community (AEC) ungewiss. Sie soll bis 2025 zu einem gemeinsamen Binnenmarkt entwickelt werden. Noch dürftiger sieht die Zukunft der Chiang-Mai-Initiative zur währungspolitischen Zusammenarbeit aus. Sie sollte, ausgehend vom koordinierten Management der Währungsreserven, zu einer Zone stabiler Kurse nach dem Vorbild des EWS führen. Diese Projekte haben bisher schon darunter gelitten, dass der Zusammenhalt innerhalb der ASEAN schwach war.
Auch die derzeit in Frankfurt tagende Entwicklungsbank ADB wird an Bedeutung verlieren. Sie hatte bereits durch die von den USA verweigerte Kapitalerhöhung an Bedeutung eingebüßt. Denn damit entstand neuer Spielraum für die von China dominierte Konkurrenz der Asian Infrastructure Investmentbank (AIIB).
Fazit: Laos, Kambodscha und Brunei haben sich an China gebunden. Sie zwingen Chinas Opponenten im Inselstreit stärker denn je zur Zusammenarbeit mit den USA. In diesem Gegensatz werden die Integrationsprojekte und die damit erzielbaren Effizienzvorteile zerrieben. Die Entwicklungsperspektiven der ganzen Region haben sich verschlechtert.