Außenpolitik: Auswirkungen auf die EU
Der West-Balkan bleibt ein Pulverfass. Antworten von EU und NATO bleiben bisher aus.
In Europas südlichem Hinterhof braut sich ein heißer Konflikt zusammen. Die Lunte am Pulverfass West-Balkan glimmt. Die vom Kosovo mit Militärgewalt unterbundene erste Fahrt eines Zuges von Serbien in den Kosovo nach fast zwei Jahrzehnten ist ein Signal, ein Anzeichen dafür, dass sich unter der ruhigen Oberfläche etwas zusammenbraut. Serbien hatte den Zug provokant mit nationalistischen Symbolen versehen und macht bereits mobil, seine Landsleute in dem Zug zu schützen. „Wir beobachten die Situation sehr genau“, sagt der Führungsstab der deutschen KFOR-Truppen auf Anfrage zu FUCHS. Das Ereignis habe aber keinen Einfluss auf die deutsche Mission. Die Bundeswehr hofft noch, dass wie in den vergangenen Jahren zunächst die kosovarische Polizei und die UNO-Friedenstruppe UNMIK den sich aufbauenden Konflikt befrieden. Laut Auswärtigem Amt sind Hunderttausende illegaler Waffen im Kosovo gebunkert. Nicht nur im Kosovo droht eine Explosion. Nach den Wahlen in Mazedonien haben die albanischen Parteien ihre Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung nach oben geschraubt. Albanisch soll zur zweiten Amtssprache werden – auch da, wo keine Albaner wohnen. Die Volksgruppe stellt ein Viertel der Bevölkerung. Hier ist die abgeriegelte zweite Außengrenze der EU bedroht. Eine geschwächte Zentralregierung in Skopje könnte überfordert sein, wenn Griechenland die Flüchtlingsschleusen wieder öffnet, um noch mehr Milionen Euro aus der EU-Kasse zu erpressen. Hochspannung herrscht auch in Bosnien-Herzegowina. Wie schon im Kosovo-Konflikt vom Serbien-Schutzherrn Russland kräftig unterstützt, bemüht sich die serbische Teilrepublik um die Loslösung von dem von drei Nationen bewohnten Land. Deutschland und die EU könnten über Nacht in einen heißen Konflikt verwickelt werden. Im Rahmen der für den Balkan reservierten Truppenreserve ORF stehen ständig Soldaten auch aus Österreich und Italien bereit. Direkt involviert sind seit Ende 2001 keine deutschen Truppen mehr. „Gottseidank“, heißt es dazu aus dem Verteidigungsministerium. Zum sich anbahnenden neuen Konflikt schweigt die Politik in Berlin, Brüssel oder Paris. Die neue Entwicklung ist noch nicht auf dem Radar. Ausgerechnet im Vakuum vor dem Amtsantritt von Donald Trump am 20.1. und mangels einheitlicher EU-Außen- und NATO-Politik fehlt es womöglich an einer raschen Reaktion, um die Funken am Pulverfass Balkan auszutreten. Das erinnert fatal an 1914 und 1992 bis1999.
Fazit: Die vielgerühmte Westbalkan-Politik Angela Merkels steht auf dem Prüfstand. Und das gilt leider nicht nur für die EU-Beitrittsverhandlungen – ein eskalierender neuer militärischer Konflikt ist im „Pulverfass“ nicht mehr auszuschließen.