Die Bundesregierung hat die Flüchtlingswelle fahrlässig auf sich zukommen lassen. Das Kabinett hatte es jedenfalls seit langem gewusst: Es kann dramatisch werden. Das Gros der Flüchtlinge stammt nämlich aus Lagern rund um Syrien. Finanziert werden sie nahezu vollständig vom Welternährungsprogramm und dem UNO-Flüchtlingshilfswerk. Doch jedes Jahr ging den Institutionen schon im Herbst das Geld aus. Denn etliche Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft erfüllen ihre finanzielle Pflicht nicht. Niemand aus der Bundesregierung oder aus dem diplomatischen Dienst der EU hatte ernsthaft versucht, sie zur Zahlung zu bewegen.
Seit 2013 hatte Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) auf das mögliche Problem hingewiesen. Er hatte mehr Geld für die Flüchtlingslager gefordert – für Nahrung, Wasser und Bildung. Seine Rechnung: Ein Euro, in Jordanien oder im Libanon ausgegeben, spart zehn bis 20 Euro, die aufgebracht werden müssen, wenn die Flüchtlinge nach Deutschland kommen.
Auf das politische Leichtgewicht gehört hat niemand. In seinem Etat ist lediglich 1 Mrd. Euro für die Lager vor Ort vorgesehen. Das reichte zur Not – auch wenn es jedes Jahr klemmte und die internationale Hilfe gestreckt wurde.
Diesen Frühsommer allerdings ging dem UNO-Hilfswerk das Geld noch früher aus als sonst. In der Folge kam es zur Halbierung der Lebensmittelrationen. Das löste den Massenexodus erst aus.
Der EU-Sondergipfel zur Flüchtlingsfrage soll das Kernproblem Finanzierung der Lager angehen. Er soll dafür 4,5 Mrd. Euro mobilisieren. Ein Drittel will die EU übernehmen, je ein Drittel sollen die USA und die Golfstaaten beisteuern. Ob die Beteiligung der beiden Letzteren – und zwar rasch – realistisch ist, ist offen. Und auch der (neue) Haushaltstopf muss erst einmal gefunden werden.
Dabei wäre ausreichend Geld aus bestehenden Fonds mobilisierbar (gewesen). Im Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) sind für 2014 bis 2019 rund 30 Mrd. Euro eingeplant. Davon könnten ohne Probleme – so hieß es letzte Woche aus dem EU-Parlament – sofort 7 Mrd. Euro für die Lager abgezweigt werden. Das Geld steht derzeit noch für nicht beantragte oder genehmigte Zukunftsprojekte bereit.
Fazit: Voraussichtlich 10 Mrd. Euro (ifo-Institut) kosten die eine Mio. Flüchtlinge, die dieses Jahr nach Deutschland kommen. Angesichts dieser Zahlen, aber auch des menschlichen Leids, das mit der Flucht selbst verbunden ist, nimmt sich der fahrlässige Umgang mit dem brisanten Thema im Vorfeld skandalös aus.