Industrie: Schleichender Strukturwandel
Deutschlands Industrie fehlt die Gründungsdynamik. Jedes Jahr geben mehr Unternehmen auf, als neue hinzukommen.
Deutschlands Wirtschaft durchläuft schleichend einen Strukturwandel, der Besorgnis auslöst. Das Erfolgsmodell „starke Industrie, hohe Löhne, starker Export“ ist gefährdet. Der mit 22,3% nach wie vor hohe Anteil der Industrie an der Gesamtwirtschaft täuscht über bedenkliche Tendenzen hinweg. Seit längerem gilt: Größenwachstum kompensiert die rückläufigen Unternehmenszahlen in der Industrie. Nur deshalb ist in den letzten zwanzig Jahren der Anteil der Industrie am deutschen BIP gleich geblieben. Die weiter bestehenden Unternehmen glichen durch ihr Wachstum das Ausscheiden zahlreicher Industriebetriebe aus dem Markt aus. Die Zahl der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe sinkt stetig. Die Zahl der Gewerbe-Neuanmeldungen in dem Bereich liegt um 15% unter der Zahl der Unternehmensaufgaben. Wurden im Jahr 2003 noch ca. 11.000 Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe gegründet, so waren es im Jahre 2014 lediglich ca. 8.500. In anderen Branchen ist die Entwicklung umgekehrt. Die Zahl aller Gewerbeanmeldungen liegt über den Abmeldungen und Insolvenzen. Den höchsten Anteil an neugegründeten Unternehmen erreichten 2015 die Bereiche Wirtschaftliche Dienstleistungen (37,1% aller Gründungen), persönliche Dienstleistungen (29,3%) und Handel (12,5%). Auch unter den Start-ups gibt es kaum Industrieunternehmen. Zwar machen sie nur 3-4% aller Gründungen aus. Sie sind aber sehr interessant, weil sie überdurchschnittliches Wachstum und besondere Innovationsleistungen versprechen. Addiert man die Bereiche Hardware, Energy und Mobility, hinter denen sich zumindest teilweise Industriegründungen verbergen, kommt man auf einen Anteil von 20% am gesamten Finanzierungsvolumen im ersten Halbjahr 2016. Der Industriesektor ist generell bedroht! Die Digitalisierung stellt ihn vor neue technische Herausforderungen. Weltweit gefährdet Protektionismus die Exportstärke.
Fazit: Unternehmens-Neugründungen sind häufig eine Antwort auf aktuelle wirtschaftliche Herausforderungen. Die fehlende Dynamik in diesem Bereich bedroht Deutschlands Erfolgsmodell mit einem überdurchschnittlich starken Industriesektor.