Erdogan im Machtrausch
Die Türkei wird zum Problem für die NATO und für Deutschland.
Mit seinem autoritären Großmachtgehabe stößt Präsident Recep Erdogan die USA und Deutschland stetig vor den Kopf. Der Bündnispartner ist zu einem unkontrollierbaren Störfall geworden. Erdogan befindet sich in einem Machtrausch. Eben erst zum Staatspräsidenten gewählt, verwandelt er den türkischen Parlamentarismus in eine Präsidialrepublik. Seit Anfang Januar leitet Erdogan die Kabinettsitzungen. Laut Verfassung ist dies eigentlich Aufgabe des Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu. Auch die Symbolik stimmt: In den ursprünglich als Sitz des Ministerpräsidenten gebauten neuen Prunkpalast zog Präsident Erdogan kurzerhand selbst ein. Eine Machtdemonstration Erdogans folgt der nächsten. So wies er gestern die Zentralbank an, den Zins auf 7,75% zu senken, trotz hoher Inflation. Erdogans Botschaft: Unter ihm ist die Notenbank nicht unabhängig. Ausgehend von seiner Machtbasis, der AKP, gebärdet sich Erdogan wie ein Autokrat: Verhaftungen von Journalisten, Säuberungen bei Justiz, Polizei und Armee sind an der Tagesordnung. Die Demokratiebewegung des „Gezi-Parks“ ließ er 2013 niederknüppeln. Erdogan leistet sich gefährliche außenpolitische Alleingänge. Seine Vision ist ein neues Osmanisches Reich, das die moslemische Welt führt. In Kauf nimmt er dabei die Brüskierung der EU, aber auch der USA. So unterstützt Erdogan das iranische Atomprogramm und die palästinensischen Hamas-Islamisten, auch mit offen antisemitischen Parolen. Mit Russland schloss er mitten in der Ukraine-Krise einen großen Energie-Deal. Am liebsten brüskiert Erdogan Deutschland. Schon 2008 forderte er, noch als Ministerpräsident, die Deutschtürken auf, sich nicht zu integrieren: „Assimilation ist ein Verbrechen“. Die Religionsbehörde DITIB kontrolliert eine Vielzahl deutscher Moscheen und blockiert ein säkulares Islamverständnis. Dass die Schlepperschiffe für tausende syrische Flüchtlinge von türkischen Häfen aus agieren, rundet das Bild ab. Die Reaktion der deutschen Politik darauf war stets lau. Washington ändert jetzt aber die Gangart. Der Türkei wird verübelt, dass sie sich nicht am US-Militärschlag gegen die Terrormiliz IS in Syrien beteiligte. Dass Erdogan vor den Augen der Weltöffentlichkeit zusah, wie der IS die Kurden in der Grenzstadt Kobane abschlachtete, kam gar nicht gut an. Washington wird daher Edogans Erzfeind, den Prediger Fethullah Gülen, nicht nach Ankara ausliefern. Washington sendet ein deutliches Warnzeichen. Die türkische Armee beschuldigte kürzlich den Geheimdienst MIT, den IS zu unterstützen. Der MIT wird von Erdogans Intimus Hakan Fidan geleitet. Tausende kampfbereite türkische und europäische Dschihadisten sickern nahezu ungehindert nach Syrien ein. Die putscherfahrene türkische Armee ist eng mit dem NATO-Partner USA verbunden. Nur ihr wird zugetraut, Sultan Erdogan zu stoppen.
Fazit: Im Machtrausch überzieht Erdogan. In den USA hat er seinen Kredit verspielt. Nun könnte auch die Kritik aus Deutschland lauter werden.