Mullahs oder Militärs
In der Türkei herrscht ein erbitterter Machtkampf. Dabei muss Ministerpräsident Recep Erdoğan ums politische Überleben kämpfen
In der Türkei herrscht ein erbitterter Machtkampf. Dabei muss Ministerpräsident Recep Erdoğan ums politische Überleben kämpfen. Dennoch ist er in Deutschland nicht auf Wahlkampftour: Parlamentswahlen in der Türkei sind erst Mitte 2015. Die Fakten: Im Februar 2012 erreichte die Zustimmung für ihn 60,5%. Jetzt sind es noch 26,9%. Die Regierungspartei AKP verlöre nach heutigem Stand bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 mehr als zehn Punkte und käme noch auf 37,9%. Die Korruptionsaffäre und die Entlassungen oder Versetzungen in Polizei und Justiz stoßen bei über 60% der Türken auf Widerstand. Die Kapitalflucht hält trotz des 10-prozentigen Leitzinses an. Viele Betriebe und Immobilienbesitzer stehen vor dem Aus, die Wirtschaft ächzt unter der Zinslast. Zudem leistet sich Erdoğan eine heftige Auseinandersetzung mit der – wie der eigenen AKP islamistischen – Bewegung von Fetullah Gülen. Dessen Anhänger verfügen über ein Netzwerk in den Ministerien, der Polizei, der Justiz und dem Militär. Stürzt Erdoğan, könnte eine Machtübernahme von noch islamistischer gesinnten Gruppierungen die Folge sein. Die zerstrittene säkulare Opposition könnte dem kaum Widerstand leisten. Denn sie beherrscht nur die großen Städte, aber nicht deren Umland und die agrarisch geprägten Provinzen. Deshalb blickt alles auf das Militär. Hält es noch an der Politik Atatürks fest und greift wie schon mehrfach nach der Macht? Oder schlagen sich die Offiziere auf die Seite Erdogans und von Präsident Abdullah Gül als dem kleineren Übel?
Fazit: Noch ist Erdoğan nur angeschlagen. Aber weitere Fehler könnten ihn zu Fall bringen.