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Rettungsmodell mit begrenzter Halbwertzeit und Nebenwirkungen

Unternehmen stoppen Produktion und verkaufen Gas

Techniker checkt die Zählerstände an Gasleitungen. © turk_stock_photographer / Getty Images / iStock
Die explodierten Gaspreise haben in Unternehmen zu diversen Rettungsmaßnahmen gezwungen. Etliche KMU haben jetzt ein neues "Geschäftsmodell" entwickelt. Sie haben ihre Produktion eingestellt und verkaufen nun das nicht mehr benötigte Gas. Das ist ein individuell sinnvolles Rettungsmodell. Allerdings ist die Halbwertzeit überschaubar und die volkswirtschaftlichen Nebenwirkungen dürften enorm sein.
Findige Unternehmer des produzierenden Gewerbes haben ein neues Geschäftsmodell entdeckt und versilbern sich die hohen Gaspreise. Etliche Unternehmen haben ihr Kerngeschäft, die Produktion, inzwischen heruntergefahren oder ausgesetzt und verkaufen stattdessen ihr für die Produktion eingekauftes Gas. Das hat die Bonner Wirtschafts Akademie (BWA) in Stichproben festgestellt. 

Das neue "Geschäftsmodell" ist simpel. Unternehmen, die noch langfristige Lieferverträge für günstiges Gas haben, setzen dieses Erdgas nicht wie geplant für die eigenen Produktion ein. Die Fertigung steht still, die Belegschaft ist zu Hause. Stattdessen verkaufen sie es am Markt an andere Unternehmen weiter, die bereits die viel höheren Gaspreise zahlen müssten. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Gaspreis praktisch um den Faktor 10 gestiegen. Wer noch langfristige Verträge hat, kann sein Gas mit einem guten Aufschlag verkaufen und der Einkäufer kann dennoch gegenüber dem aktuellen Marktpreis sparen. Das ist eine klassische Win-Win-Situation.

Für Unternehmen sinnvoll, für die Volkswirtschaft gefährlich

Das betriebswirtschaftlich sinnvolle Modell hat eine volkswirtschaftlich gefährliche Kehrseite. Die BWA-Geschäftsführer Harald Müller: "Das ist eine volkswirtschaftliche Katastrophe." Denn durch die Stilllegung der Produktion verringert sich das Güterangebot an vielen Stellen. Das schafft einerseits Preisdruck, also Inflationspotenzial. Auch die Zulieferer der Gas-Verkäufer kommen unter Druck, weil deren Produkte nicht mehr abgenommen werden. "Das kann Insolvenzen auslösen, die wiederum die Lieferketten strukturell belasten", so Müller.

Das "Gas-Geschäftsmodell" ist zudem endlich. Es läuft mit dem Tag aus, an dem auch für die Verkäufer die langfristigen Gasverträge mit den günstigen Preisen enden. Müssen sie ebenfalls zum dann gültigen Gaspreis neu einkaufen, ist die Gas-Marge obsolet. Die Frage ist dann nur noch, ob die Unternehmen zu höheren Gaspreisen dann wieder an den Markt kommen und produzieren oder ebenfalls ihre Pforten schließen, weil sie bei den hohen Gaspreisen ebenfalls unrentabel wären.   

Fazit: Die Freude der Politiker - voran von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) - über den reduzierten Gasverbrauch der Unternehmen (-25%) ist eine Blindflug-Erkenntnis. Sie verkennt, dass diese Reduktion fast zur Hälfte durch Produktionskürzungen und -stopps erreicht wird. Die betrieblich richtige Überlebensstrategie für KMU geht mit dem Risiko einer Schmelze des industriellen Kerns der deutschen Wirtschaft einher.

Hinweis: Kurz vor Redaktionsschluss hat die Bundesregierung ihren neuen Abwehrschirm für die Energiepreise vorgestellt. Es soll 200 Mrd. Euro geben, um Strom- und Gaspreise zu deckeln. Die 200 Mrd. Euro werden als Sonderhaushalt verbucht, so wird die Schuldenbremse "eingehalten". Verbrauchern (auch Unternehmen) soll ein Basisverbrauch bei Strom subventioniert werden. Die Ausgestaltung der Gaspreisbremse ist offen. Denkbar ist, dass die Versorger am Markt einkaufen, der Staat aber einen Teil der Kosten übernimmt, die Verbraucher dann einen geringen Gaspreis an den Versorger zahlen.

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