Psychofalle und Strategien
Ein Fall aus der Praxis
Sigurd Hansbas hat es kalt erwischt. In seinem Depot hält er VW-Aktien, die er in den letzten Monaten immer wieder nachgekauft hat. Der aktuelle Wert: 115.000 Euro, der Verlust beträgt 85.000 Euro. Er ist entsetzt über die ständig neuen Informationen aus Wolfsburg, die nichts Gutes verheißen. Ans Verkaufen denkt er jedoch nicht; er will nachkaufen. Dann schmerzen die Verluste nicht mehr so stark, und außerdem ist es undenkbar, dass VW pleite geht. „Also muss ich ja nur genug Zeit mitbringen, dann habe ich mein Geld wieder“, denkt er. Die Wissenschaft nennt solche Gehirnaktivitäten „Psychofallen“. „Sunk cost fallacy“ heißt das Phänomen, an einer Anlagestrategie oder an einem Wertpapier nur deshalb festzuhalten, weil sie bereits viel Geld gekostet haben. Sinnvoller ist es, sich dem Thema vermögensstrategisch zu nähern. Die entscheidende Frage lautet: Über welchen Vermögensteil denkt Hansbas überhaupt nach? Über sein langfristiges Vermögen oder über sein „Spielgeld“? Für das Langfristvermögen zeigt sich am Beispiel VW, wie elementar die breite Streuung des Vermögens ist. Die Kapitalmarktforschung lehrt, dass der langfristige Erfolg dann eintritt, wenn in den breiten Aktienmarkt investiert und auf die Investition in einzelne Aktien verzichtet wird. Zu groß ist die Gefahr, dass unvorhergesehene Risiken den Erfolg gefährden. Sinnvolle Investments sind Indexfonds und ETFs, ggfs. auch herausragend gemanagte Aktienfonds. Die Investition in Einzelaktien würde dagegen bedeuten, dass ein Korb von 30 oder mehr Aktien gekauft und „überwacht“ werden muss. Nur so lässt sich eine halbwegs angemessen Streuung erzielen. Das kostet Zeit und Transaktionskosten. Die zweite Erkenntnis der Wissenschaft in diesem Zusammenhang: Renditekiller Nr. 1 sind die Kosten. Die Mehrzahl der aktiv gemanagten und damit teuren Fonds schaffen es nicht, die Mehrkosten gegenüber günstigen Lösungen wie Indexfonds zu erwirtschaften. Weitere Botschaft: „Geh nur so viel Risiko ein, wie du ertragen kannst!“ Der Unternehmer muss daher seine strategische Aktienquote auf sein Gesamtvermögen ermitteln. Als Faustformel gilt: Maximal „erträglicher“ Verlust x 2 = langfristige Aktienquote. Fallen die Kurse deutlich, wird diese Quote wieder „aufgefüllt“. So wird systematisch nachgekauft, ohne das Ziel zu verfolgen, bestmöglichst zu „timen“. Denn auch hier lehrt die Wissenschaft: Es ist reine Glücksache, den besten Kauf- oder Verkaufszeitpunkt zu finden. Für Hansbas gilt somit: Der größte Teil seines Vermögens sollte nach erprobten, wissenschaftlich fundierten Strategien angelegt werden. Diese schützen gut vor extremen Kursentwicklungen bei einzelnen Aktienwerten. Allerdings kommt der Anleger auch nicht in den Genuss einer „Top-Aktien-Entwicklung“.Investieren oder Spaß haben
Wer dennoch diesen „Spaß“ haben möchte, sollte in seiner Vermögensstrategie ein „Spieldepot“ absondern. Dieses sollte auch physisch als eigenes Depot von den anderen Vermögenswerten getrennt werden. Dort können die „heißen Tipps“ oder – wie aktuell – Aktien wie VW oder K+S gekauft werden. Es könnten sogar aggressivere Strategien verfolgt werden, wie z. B. der Kauf eines Optionsscheins auf VW. Denn jede Entscheidung für den Kauf oder Verkauf einer Aktie geht mit einer Prognose einher. Man glaubt an den schnellen Wiederaufstieg oder den weiteren Verfall der Kurse. Dann ist es konsequent, auch gezielt darauf zu wetten – mit hohen Verlust- und Gewinnchancen.Fazit: Die Geschichte lehrt, dass Unternehmen nach einer schweren Krise nicht immer gesunden. Eines der Beispiele dafür ist Kodak. Als die Krise im Unternehmen begann, glaubten viele Anleger, dass dies nur eine vorübergehende Phase sei. Sie kauften die Aktie immer wieder nach. „Fotografiert wird doch immer“ – so die Devise. Die eigene Psyche führt den Anleger immer wieder in die Irre, deshalb ist eine fundierte Vermögensstrategie das A und O – für gute und schlechte Zeiten.