Zu wenig Ertrag
Die Zeiten, in denen Anleger mit hohen Zinsen beglückt wurden, sind Vergangenheit. Besonders kritisch ist diese Nachricht für Stiftungen. Denn sie benötigen regelmäßige Zinserträge. Der Begriff „Anlagenotstand" bewegt jetzt auch Vermögende, die sich mit dem Gedanken tragen, eine eigene Stiftung zu gründen.
Ein Fall aus der Praxis
Sieglinde Proleskow hat vor Kurzem ihren 58. Ge-burtstag gefeiert. Ihr Mann ist bereits vor sieben Jahren verstorben. Das Ehepaar war kinderlos. Das Vermögen beläuft sich auf mehr als fünf Mio. Euro. Potenzielle Erben sind nicht vorhanden – mit Ausnahme zweier Nichten. Sie sollen aber nur zum Teil bedacht werden.
Die Unternehmerwitwe überlegt, eine eigene Stiftung zu gründen. Sie sucht Rat. Ihr Vermögensmanager diskutiert mit ihr die vorhandenen Optionen. Frau Proleskow liegen Kinder am Herzen, die aus finanziellen Gründen nicht ausreichend gefördert werden können. Auf die Frage, wie sie sich die Förderung konkret vorstellt, spricht sie von Schulgründungen und „Förderpaketen". Geschätzte Kosten: jährlich 3.000 Euro je Kind.
Ihr Berater rechnet vor, was dies in der Logik einer Stiftung bedeutet. Wenn sie 10 Kinder à 3.000 Euro fördern möchte, sind dies 30.000 pro Jahr. Jetzt hilft ein Blick auf den Kapitalmarkt: Wer sein Geld halbwegs sicher anlegen (Bundesanleihen, Pfandbriefe oder Unternehmensanleihe Rating AA) und zudem Zinsänderungsrisiken begrenzen will (Restlaufzeiten 3 Jahre), erzielt aktuell eine Rendite von 0,17 bis 0,9% (siehe Tabelle).
Wenn die Restlaufzeit etwas erhöht wird, sind auch 1% Jahresertrag möglich. Damit Frau Proleskow ihre 30.000 Euro p. a. erzielen kann, muss sie also 3 Mio. Euro in die Stiftung einbringen. Nicht berücksichtigt sind dabei die Kosten für die Vermögensverwaltung und andere Aufwendungen zur Aufrechterhaltung der Stiftung (Verwaltungskosten etc.). Auch der Inflationsausgleich ist nicht gesichert. Daher ist es ratsam, bei der Planung die Zweidrittel-Regelung zu berücksichtigen: Zwei Drittel der ordentlichen Erträge müssen ausgeschüttet werden, das andere Drittel ist in die Rücklagen (u. a. für Kaufkrafterhalt) zu legen. Somit müssten mindestens 4,5 Mio. Euro eingezahlt werden, damit das Ziel der Stifterin erreicht wird.
Das Ergebnis ist für Frau Proleskow ernüchternd. Gibt es denn keine anderen Möglichkeiten? Ihr Berater zeigt mehrere Varianten auf:
- Frau Proleskow kann Immobilienanlagen hinzunehmen, die je nach Risikoart eine Ertragserwartung von 3,0% bis 4,5% haben; sie kann über Dividendenaktien bis hin zu sog. gedeckten Stillhaltergeschäften Zusatzerträge auf bestehende Aktienanlagen erzielen. Das erhöht die Rendite – und in einem akzeptablen Maß auch das Risiko.
- Frau Proleskow verteilt ihr Geld als Zuwendungen an verschiedene Spendenorganisationen, die ähnliche Projekte umsetzen. Dann „verschwindet" ihr Geld aber im großen Stiftungstopf und sie hat keinen eigenen Einfluss mehr.
- Sie kann die Verwaltungskosten senken, indem sie eine Treuhandstiftung gründet. Dann wird ihr Geld gesondert verwaltet, jedoch kann sie z. B. keine eigene Schule gründen. Denn eine unselbständige Stiftung ist keine eigene Rechtspersönlichkeit. Das Problem niedriger Zinsen ist damit nicht gelöst.
- Im Februar 2013 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, eine sog. Verbrauchsstiftung zu gründen. Anders als bei den normalen Stiftungen darf das Kapital – und nicht nur die Erträge – für den Stiftungszweck verwendet werden. Investiert die Unternehmerin 3 Mio. Euro, kann sie – ohne Zinserträge – über die nächsten 20 Jahre jährlich 50 Kinder à 3.000 Euro fördern. Nachteil: Der Sonderausgaben-Abzug in Höhe von 1 Mio. kann bei der Verbrauchsstiftung nicht geltend gemacht werden.
Renditen Wertpapiere |
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Wertpapiere |
Laufzeit |
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1 Jahr |
3 Jahre |
5 Jahre |
9 Jahre |
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Bundesanleihen |
0,02% |
0,17% |
0,50% |
1,34% |
Jumbo-Pfandbriefe |
0,29% |
0,57% |
1,03% |
1,64% |
Unternehmensanleihen (Bonitätsstufe AA) |
0,46% |
0,90% |
1,29% |
2,10% |
Unternehmensanleihen (Bonitätsstufe BBB) |
1,10% |
1,62% |
1,89% |
2,80% |
Quelle: eigene Recherche, Angaben ohne Gewähr, Stand: Mitte Mai 2013) |
Fazit: Der Beispielfall macht deutlich: Das Stiften braucht eine Prüfungs- und Reifezeit. Daher sollten Sie zunächst mit erfahrenen Stiftungsorganisationen sprechen und erste kleinere Beträge spenden. In fünf Jahren können Sie dann „ihre" Stiftung gründen.